Ferrari 250 GTE 2+2 Polizia
Italienische Polizei und Sportwagen – dieses Thema reicht weiter zurück als manche Leser jetzt vielleicht denken mögen. Natürlich gibt es seit 16 Jahren eine Partnerschaft zu Lamborghini, die zuerst einige Gallardo und inzwischen das V10-Nachfolgemodell Huracán zur Verfügung stellten. Doch die eigentliche Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1963, als Ferrari zwei 250 GTE 2+2 an die Polizei in Rom auslieferte. Das dazugehörende Modell war erst drei Jahre zuvor als erster Sportwagen mit 2+2-Sitzkonfiguration beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans präsentiert worden und anschließend in Maranello in Produktion gegangen. Damit löste Ferrari den 250 GT ab und sprach erstmals auch Sportwagenliebhaber mit einer kleinen Familie an. Als Basis nutzte man dabei weiterhin das Fahrgestell mit dem internen Kürzel Tipo 508, das alle 250er bis zu diesem Zeitpunkt erhalten hatten. Allerdings verlängerte man den 250 GTE 2+2 um rund 30 Zentimeter, sorgte für etwas mehr Breite und rückte Motor und Getriebe zusätzlich um 20 Zentimeter nach vorn, um den zusätzlichen Platz für die Fondsitze einzurichten. Für das Design wendete man sich erneut an Pinin Farina, die ein komplett neues Coupé mit Fließheck und langem Kofferraum gestalteten. Das V12-Triebwerk vom Typ 128 leistete 177 kW/240 PS. Bis zur Modellablösung durch den 330 America im Sommer 1963 entstanden 954 Stück.
Zwei davon gingen wie beschrieben an die Polizeidirektion in Rom. Während einer dieser Wagen schon nach wenigen Wochen einem Unfall zum Opfer fiel, nutzte man Fahrgestellnummer 3999 für sehr lange Zeit. Der Grund zu diesem ungewöhnlichen Schritt lag darin, dass seit den späten 1950er Jahren in Italien die Anzahl von Fluchtfahrten mit schnellen Autos nach kriminellen Handlungen stark zugenommen hatte. Die Polizei nutzte zwar recht leistungsstarke, schwarz lackierte Alfa Romeo 1900 mit dem Spitznamen ‚Pantera‘ (Panther) sowie grüne Alfa Romeo Giulia 1600, konnte damit jedoch schon bald nicht mehr mithalten. In jener Zeit fragte man Armando Spatafora, einen der damals angesehensten und erfolgreichsten Polizisten in Rom, was er benötigen würde, um noch erfolgreicher sein zu können. Seine Antwort lautete: „Was könnte besser sein als ein Ferrari?“ Kurz darauf wurde er einer von lediglich vier Polizei-Offizieren, die für einen Hochgeschwindigkeitsfahrkurs in Maranello ausgewählt wurden. Dort lernte er den 250 GTE 2+2 bis in den Grenzbereich hinein kennen. Am Ende des Kurses erfolgte die Übergabe des neuen Einsatzfahrzeuges.




























































Das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer 3999 entstand als 250 GTE 2+2 der zweiten Bauserie im November 1962 in schwarzem Lack mit einer Lederausstattung im Farbton Tan. Dies geht aus den Produktionsunterlagen aus dem Ferrari-Archiv hervor, die als Kopie den Fahrzeugunterlagen beiliegen. Sie berichten auch darüber, dass das Chassis bereits im August zu Pininfarina (seit 1961 zusammengeschrieben) geschickt wurde, um dort die Karosserie zu erhalten. Bei der Polizei gehörte der Ferrari für die folgenden sechs Jahre zum aktiven Dienst und erreichte in dieser Zeit Legendenstatus unter Polizisten, Kriminellen und der Öffentlichkeit. Dies ging soweit, dass es unter Verbrechern tatsächlich zu einer eigenen Disziplin wurde, den Versuch zu unternehmen, Armando Spatafora während dessen Nachtschichten im Ferrari zu entkommen. Viele von ihnen landeten durch Spataforas Können am Lenkrad und seine unglaubliche Erfahrung dadurch erst recht hinter Gittern. Zudem erhielt sein Einsatzfahrzeug regelmäßige Inspektionen in Maranello, was aus einer Vielzahl von Servicedokumenten hervorgeht. So wurde der 250 GTE zum ultimativen ‚Pantera‘.
Ende 1968 nahm die Polizei den Ferrari aus dem aktiven Dienst, behielt den Wagen aber noch bis zu einer öffentlichen Auktion im Jahr 1972. Dort ersteigerte ihn der Italiener Alberto Cappelli, der genau wusste, was er da gekauft hatte und das Polizeifahrzeug in Originalzustand 40 Jahre lang wegstellte. Zwischendurch zeigten er und seine beiden Söhne den 250 GTE 2+2 auf vielen Veranstaltungen in Italien und ganz Europa. 1984 brachte man beim Coppa delle Dolomiti Rennen den Wagen noch einmal mit Spatafora zusammen, der sich nochmal hinter das Steuer setzte und zu aller Erstaunen die zweitbeste Zeit des Tages einfuhr. 1997 nahm Cappelli an der Cavalcade von Rom nach Maranello anlässlich Ferraris 50-Jahre-Jubiläum teil. Anfang der 2000er Jahre entstand in Rom ein Museum für Polizeifahrzeuge, das bei der Familie Cappelli anfragte, ob man den Ferrari als Leihgabe ausstellen dürfe. Der damalige General der Polizei fuhr den Wagen auf eigener Achse und benutzte unterwegs das immer noch eingebaute Funkgerät, um sich mit der Polizeileitstelle zu unterhalten. Seither handelt es sich um den einzigen Privatwagen in Italien, der mit Sirene, Blaulicht und der Lackierung der ‚Squadra Volante‘ gefahren werden darf. Nachdem der Wagen 2014 ein Ferrari Classiche Zertifikat erhalten hatte, erfolgte 2015 der zweite Besitzerwechsel in der Geschichte dieses Fahrzeugs. Es blieb in Italien beheimatet, wurde jedoch erstmals auch beim Pebble Beach Concours d’Elegance (2016) gezeigt. Nun sucht der Klassikerhändler Girardo & Co. über seinen italienischen Showroom nach einem neuen Besitzer.
Bilder: Girardo & Co.