Emory Motorsports 356 RSR

„Nun ist es soweit, es muss den Schreiber von Secret Classics böse erwischt haben.“ „Der ist bestimmt böse hingefallen und mit dem Kopf angestoßen.“ Diese und ähnliche Gedanken würde ich als Schreiber angesichts des heutigen Artikelthemas durchaus verstehen. Allerdings kann ich Ihnen versichern, dass es mir durchaus gut geht. Und dennoch schreibe ich über ein Fahrzeug, dessen bloße Existenz in den Augen gusseiserner Oldtimerfreunde und Porsche-Fans vermutlich dem Sachverhalt der Blasphemie gleichkommt. Ja, Emory Motorsports aus McMinnville/Oregon in den USA hat tatsächlich einen 1960er Porsche 356 B T5 als Ausgangsbasis für einen einzigartigen Hotrod herangezogen. Und nochmal ja, mir persönlich sagt das Ergebnis durchaus zu.

Von der eigentlichen Rohkarosserie ist allerdings abgesehen von der schlichten, damals noch stark an den VW Käfer erinnernden Silhouette nur wenig übrig geblieben. Emory Motorsports verbreiterte das gesamte Fahrzeug mit neuen handgeformten Kotflügeln aus Aluminium, die an den Radläufen nochmals Verbreiterungen tragen, um 17 Zoll große Räder unterbringen zu können. Es handelt sich um eigens von Momo für dieses Fahrzeug angefertigte Räder im Heritage-Design mit Zentralverschlüssen mit Pirelli P Zero Trofeo R Bereifung. Hinter den ebenfalls aus Aluminium gefertigten Türen sorgen neue Lufteinlässe für eine bessere Anströmung des Triebwerks, das unter einer abnehmbaren Abdeckung im Heck verbaut ist und im unteren Bereich ähnlich freiliegt wie beim legendären Porsche 935. Vorn ersetzte man die serienmäßige Haube ebenfalls durch ein abnehmbares Bauteil, in das vor der Frontschürze ein Luftauslass für den darunterliegenden Ölkühler integriert wurde. Edelstahl-Grillgitter halten unerwünschte Fremdkörper fern. Über den Rädern sind Luftauslass-Schlitze eingearbeitet, um Staudruck in den Radhäusern zu minimieren. Als Lackfarbe kreierte Rod Emory den Farbton ‚Meteorite Matte Metallic‘. Seitenfenster und Heckscheibe bestehen aus Plexiglas. Im Interieur kommen rote Momo-Schalensitze im Stil des 911 RSR mit Sechspunktgurten, ein abnehmbares Momo-Sportlenkrad, ein vom Porsche 917 inspirierter Balsaholz-Schalthebel und Edelstahlpedale sowie ein vollwertiger, herausnehmbarer Überrollkäfig zum Einsatz.

Falls Sie diese Veränderungen bereits für schwierig zu verdauen halten, sollten Sie an dieser Stelle möglicherweise mit dem Lesen aufhören. Wir wenden uns jetzt nämlich der Technik zu und hier blieb tatsächlich kein Stein auf dem anderen. Unter der breiten Karosserie steckt das Chassis eines Porsche 911 (964) Carrera 2 von 1990, dessen Radstand um 85 Millimeter gekürzt werden musste. Auf diese Weise erhielt der Wagen auch eine servolose Zahnstangenlenkung und leistungsstarke Scheibenbremsen. Hinzu kommt ein Sportfahrwerk mit KW-Federn. Diese Veränderungen im Vergleich zum originalen 356 sind auch nötig für das, was im Heck des besonderen Autos lauert. Emory Motorsports entwickelte gemeinsam mit Rothsport Racing einen 2,4 Liter großen Vierzylinder-Boxermotor mit Komponenten aus dem 3,6-Liter-Triebwerk des 964. Neu sind allerdings die beiden Garrett-GT28R-Turbolader, die für bis zu 1,2 bar Ladedruck sorgen – je nach Einstellung des Handrads im Interieur – und damit die Leistung auf 295 kW/400 PS heben. Mehr wäre zweifelsfrei möglich gewesen, aber bereits mit diesem Wert in Verbindung mit nur 884 Kilogramm Leergewicht und dem manuellen Fünfgang-Getriebe lassen sich beeindruckende Fahrdynamikwerte erzielen.

Falls Sie trotz aller Widrigkeiten bis zu dieser Stelle des Textes durchgehalten haben, verrate ich Ihnen noch etwas, was man beim Anblick des 356 RSR wohl kaum vermuten würde: Rod Emory gehört zu den absoluten Kennern der Materie rund um den Porsche 356 und führt auch ganz normale Restaurierungen durch. So baute seine Werkstatt aus einem bereits in den 1950er Jahren enthaupteten Wagen wieder jenen 356 SL auf, mit dem Porsche 1951 erstmals an den 24 Stunden von Le Mans teilnahm. Die Fahrgestellnummer und diverse Details hatten die außergewöhnliche Vorgeschichte des Wagens verraten, von der der Besitzer anfänglich nichts ahnte. Projekte wie den RSR führt Emory üblicherweise ebenfalls im Kundenauftrag durch. Diesmal war es jedoch sein eigener Ideenreichtum, der ihn antrieb. Warum auch nicht? Man muss schließlich nicht immer alles bierernst nehmen. Vom ersten Plan bis zur Fertigstellung vergingen fast vier volle Jahre. In Zukunft dient der 356 RSR als Messlatte für das, was bei Emory Motorsports machbar ist.

Bilder: Emory Motorsports