DAF 600

Kleinwagen für die breite Bevölkerung hatten in den 1950er Jahren Hochkonjunktur. In Italien entstand der Fiat 500, in Frankreich waren es der Citroën 2CV und den Renault 4CV, in Deutschland den VW Käfer und in der DDR den Sachsenring P70 Zwickau und später den Trabant P50. Gern vergessen wird in einer solchen Aufzählung jedoch, dass es auch in den Niederlanden ein entsprechendes Fahrzeug gab. Bereits 1928 gründete Hub van Doorne in Eindhoven eine Maschinenfabrik, die anfänglich für den Technikkonzern Philips und die Binnenschifffahrt Schmiede- und Schweißarbeiten ausführte. Bald kamen erste Omnibusaufbauten auf Sattelzugaufliegern hinzu. Nachdem der jüngere Bruder Wim van Doorne mit in die Firma eingestiegen war, musste man sich durch die Weltwirtschaftskrise in den 1930ern nach neuen Betätigungsfeldern umsehen. Dies führte 1932 zum neuen Firmennamen „Van Doorne’s Aanhangwagenfabriek“ (Van Doornes Anhängerwagenfabrik, kurz DAF).

Zweizylinder-Boxermotor

Auf diverse Aufliegeranhänger folgte 1936 der erste eigene Lastwagen. Während des Zweiten Weltkriegs entstanden ausschließlich Zugmaschinen für das Militär. In der Nachkriegszeit gingen die eigens entwickelten Lastwagen endlich auch in Produktion. Schnell erkannten die Van Doorne Brüder den bestehenden Wunsch nach Mobilität in der Bevölkerung. So begannen ab Mitte der 1950er Jahre die Entwicklung eines viersitzigen Kleinwagens. 1957 veröffentlichte man erste Details, um potenzielle Kunden neugierig zu machen. Auf der Automobilausstellung in Amsterdam im Februar 1958 debütierte das Fahrzeug schließlich als DAF 600. Die Zahl deutete auf den aufgerundeten Hubraum hin. Dieser betrug 590 Kubikzentimeter und verteilte sich auf zwei Zylinder eines Viertakt-Boxermotors. Die Leistung betrug 15 kW/20 PS, was für 90 km/h Höchstgeschwindigkeit ausreichte.

Stufenlose Variomatic

In einem gravierenden technischen Detail unterschied sich der DAF 600 von allen Konkurrenzprodukten weltweit. Als Kraftübertragung vom Motor zu den Hinterrädern verbauten die Niederländer an der Hinterachse ein stufenloses CVT-Getriebe (Continuously variable transmission), das hier „Variomatic“ genannt wurde. Ähnliche Getriebe wurden zwar bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt, DAF brachte sie jedoch erstmalig in die Großserie. Die Variomatic treibt jedes Hinterrad einzeln an. Dafür verfügt sie über zwei Wellen, auf denen jeweils zwei bewegliche Kegelräder (Variatorscheiben) sitzen. Durch eine Fliehkraftkupplung, Fliehgewichte und veränderbare Übersetzungen passte sich das Getriebe an die benötigten Geschwindigkeiten an. Klassische Gänge wie bei einem Schalt- oder Automatikgetriebe gibt es beim CVT-Getriebe also nicht. Es wurde jedoch nur bei wenigen anderen Autoherstellern eingesetzt. Stattdessen findet man ähnliche Konstruktionen in Motorrollern und Mopeds.

PKW-Produktion bis 1975

Bei gleichbleibender Drehzahl veränderte das Getriebe mittels Unterdruck die Übersetzung und damit die Fahrgeschwindigkeit. Tatsächlich ist es technisch möglich, ein Fahrzeug mit CVT-Getriebe rückwärts genauso schnell wie vorwärts zu fahren. Dies führte in späteren Jahren dazu, dass der Bestand des DAF 600 und seiner Nachfolger in rückwärts gefahrenen Nonsensrennen dezimiert wurde. Sehr schade, denn der Kleinwagen kann optisch durchaus ein paar Reize auffahren. Vorn an der Motorhaube und hinten an der Kofferraumklappe läuft eine doppelt geschwungene Kante über die volle Breite und damit auch über die Leuchten. Innen blieb Platz für vier Personen und deren Gepäck. 1963 folgte in ähnlichem Design das „Daffodil“, der DAF 30 und 750 mit größerem Motor. Später entwickelte man daraus den 31 und dann den 32. Es folgten der 33 und die von Michelotti entworfenen, größeren Modelle 44 und 55. Zwischen 1972 und 1975 gab es schließlich den 66, bis DAF das PKW-Geschäft an Volvo verkaufte.

Bilder: DAF, Archiv Secret Classics