Auf eine Kugel Eis im Aston-Martin DBS Volante
Es ist Juni: die Zeit, in der Sonnenauf- und untergang am weitesten voneinander entfernt liegen. Unser Tag beginnt etwa drei Stunden nach dem Sonnenaufgang, es schlägt die achte Stunde und das Thermometer kratzt bereits an den 25 Grad. Der Blick aus dem Fenster und das Öffnen jenes sorgt für das Verlangen nach etwas Abkühlung.
Zu unserem Glück wurde am Vortag ein Aston Martin DBS Volante frisch angeliefert. Mit Handtüchern und genügend Kleingeld im Gepäck für zwei Kugeln Eis geht es Richtung Tiefgarage. Im Aufzug macht sich bereits die Vorfreude auf den Kaltstart des V12-Triebwerks breit. Denn in meinen 26 Jahren Lebenszeit ist es das erste Mal, dass ich mehr als 10-Zylinder bewegen darf und das Ganze im Jahre 2023. Unvernunft tut manchmal gut.
Gerade auch dann, wenn man den Startknopf in der Mittelkonsole des DBS drückt und bereits vom Anlasser nachhaltig begeistert wird. Daraufhin schießt der V12 förmlich ins Leben, schreit kurz auf, brummt. Der Hall der Tiefgarage tut sein Übriges.
Mit der Einführung des Volantes im Jahre 2019 kann man diese Symphonie seither noch mehr genießen, denn durch den Wegfall des Dachs kriegt man deutlich mehr von Motor- und Abgasanlagengeräusche mit. Noch in der Tiefgarage öffne ich das Dach, daraufhin betritt auch ein Nachbar die Tiefgarage und versucht mir etwas mitzuteilen. Der V12 übertrumpft seine Stimme jedoch mühelos. Seine Daumengeste macht mir verständlich worauf er hinaus will. Grinsend und mit leichtem Nicken mache ich ihm bewusst, dass ich ganz seiner Meinung bin.
Das Verlangen nach einem Erdbeere/Schokoladeneis stagniert ein wenig, das Verlangen nach ein paar Landstraßen steigt dagegen. Das Ziel ist also gesetzt, nur der Weg dorthin noch nicht ganz. Wäre es zu unvernünftig den Umweg über die Berge zu nehmen? Vielleicht. Ich entscheide mich dennoch dafür.
Britische Eleganz
Vor knapp 6 Jahren hat Aston Martin es sich zur Aufgabe gemacht den attraktivsten Volante in der Firmengeschichte auf den Markt zu bringen. Das Ergebnis: Ein stilvolles aber dennoch aggressives Auftreten. Der DBS Volante repräsentiert dabei eine evolutionäre Entwicklung des aerodynamischen Meisterwerks seines Coupé-Gegenstücks. Dabei wird der Luftstrom über die Oberfläche optimal gesteuert.
Der Frontsplitter und die vorderen Elemente arbeiten in Harmonie zusammen, um den Luftstrom unter das Fahrzeug zu lenken. Dies resultiert nicht nur in spürbarem Abtrieb, sondern optimiert auch die Kühlung, indem die Luft gezielt zur vorderen Bremsanlage geführt wird. Zusätzlich trägt die neu positionierte Seitenzierleiste dazu bei, mehr Luft aus dem vorderen Radlauf anzusaugen. Dies reduziert Auftrieb und steigert die Stabilität auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 320 km/h.
Eins komma Neun Tonnen?
Ja, der Aston Martin DBS Volante ist mit Sicherheit kein Leichtgewicht, denn mit seinen 1900 Kilogramm bringt er fast 170 Kg mehr auf die Waage als das Coupé. Doch um das Leistungsgewicht muss man sich bei 725 PS dennoch keine Sorge machen. Gerade dann nicht wenn der V12 Biturbo Motor bereits bei 1800 Umdrehungen seine 900 Newtonmeter in Richtung Hinterachse schickt. Bei kalten Reifen und/oder schwerem Gasfuß ist das Lämpchen der Traktionskontrolle allerdings ständiger Begleiter auf der Instrumententafel. Durch Gedrückthalten der ESP Taste kann man sich natürlich auch von jener verabschieden.
Nach rund 30 Minuten erreichen wir die ersten Hügel und Kurven des Alpenvorlands. Wir befinden uns irgendwo zwischen Bad Tölz und dem Kochelsee. Traditionell die Zeit um das V12 Aggregat ins Leben zu rufen. Wobei schnell auffällt, dass das klassische Landstraßen Tempo auf den Aston fast ermüdend wirkt. Den Sprint aus Ortschaften heraus auf 100 km/h schüttelt der Brite locker aus dem Ärmel. Gutes Timing gepaart mit einer hohen Dosis an Selbstbeherrschung ist gefragt um nicht maßlos oberhalb des vorgegebenen Tempolimits zu liegen. Denn nach den 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h, trennen uns auch nur noch etwas über 6 Sekunden von den 200 km/h. Gedanklich verschieben wir das Thema auf die Autobahn A95 Richtung München, die wir im späteren Verlauf noch befahren werden. Jetzt erstmal kurz auftanken vor den Bergen. 2,28€ für einen Liter Super Plus, 78 Liter Tankvolumen, der Tankstellenwart bedankt sich.
„Im Hinterkopf hat sich allerdings auch das Grinsen des Tankstellenbesitzers eingebrannt“
In den Bergen angekommen merkt man recht wenig vom hohen Gewicht des Briten. Dank der exzellenten Gewichtsverteilung von 50:50 baut der Brite schnell Vertrauen beim Fahrer auf. Unglaublich wie leichtfertig und dennoch brachial der Motor seine Kraft entfaltet. Die Bremse ist auch auf den letzten Kehren vor der Passhöhe gut dosierbar und zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Die Lenkung ist dabei so präzise, dass selbst enge, spitze Kurven kein Problem für den DBS sind. Der Sound beim Raus beschleunigen aus jenen Kurven baut Vorfreude auf die nächsten Kehren auf. Ein Teufelskreis. Im Hinterkopf hat sich allerdings auch das Grinsen des Tankstellenbesitzers eingebrannt. Zeit um die Berge und Natur zu genießen und den DBS Volante in die komfortabelste Stufe zu stellen. Dabei fühlt sich der Aston ebenso wohl. Die komfortablen Sitze in dem ohnehin schon luxuriösen Interieur machen den 725PS Briten vollkommen alltagstauglich. Einziges Manko dabei: das ein wenig veraltete Infotainment-system, das man aus früheren Mercedes-Modellen kennt. Aber mal ehrlich – we couldn’t care less.
Zwölf Zylinder und zwei Kugeln Eis.
Wir erreichen unseren Turningpoint, ab hier gehts die Kurven wieder bergab und auf einem kurzen Autobahnstück zurück nach München. Ab jetzt kommen wir den zwei Kugeln Eis bei Il Gelato Italiano in Grünwald immer näher. Zeit um endlich die volle Kraft des V12 spüren zu dürfen. Denn wie eingangs erwähnt ist die Autobahn der einzige Ort um den Motor des Aston-Martins wirklich zu fordern. Wir nehmen die Auffahrt Eschenlohe Richtung München und schalten einige Gänge zurück – sechs Gänge um genau zu sein. Was der Brite im zweiten Gang bei Volllast leistet ist schlichtweg unfassbar. Die 725PS und 900 Newtonmeter sorgen für brachialen Vortrieb, fast schon beängstigend wie leichtfertig der Brite dabei Meter macht.
Es ist Punkt 17:30 als wir bei Luca eine Kugel Schokoladeneis und eine Kugel Erdbeereis bestellen. Zeit um bei einer Waffel Eis mit ein wenig Wehmut auf den Aston Martin zu blicken. Einerseits weil meine Zeit mit dem DBS Volante morgen schon vorbei sein wird, andererseits weil Aston Martin vor Kurzem bekannt gab, dass auch sie, künftige Modelle mit Hybrid und Elektromotoren ausstatten werden. Auch der DBS Volante bekam mit dem DBS 770 sein finales Sondermodell. Die Frage bleibt ob künftige Modelle genauso emotional aufgeladen sein werden wie ein V12 DBS? Vielleicht.
Aston Martin DBS Volante
Motor: 5,2L V12 Turbo
Power: 725 PS bei 1,800 Umdrehungen
Gewicht: 1900 Kilogramm
Beschleunigung: 0-100 km/h in 3.6 s
Vmax: 340 km/h Max.