60 Jahre Mini
Am 26. August 1959 debütierte in Großbritannien ein Fahrzeug, das Automobilgeschichte schreiben sollte. Unter der Leitung des genialen Konstrukteurs Alec Issigonis entstand bei der British Motor Corporation (BMC) ein revolutionärer Kleinwagen, der von gewohnten Pfaden bewusst abwich. Bereits damals betrieb dieser englische Autokonzern etwas, das man heutzutage unter ‚Badge Engineering‘ kennt, also die Verwendung des gleichen Fahrzeugkonzepts unter verschiedenen Markenlogos. Das neue Auto debütierte zeit- und formgleich als Morris Mini-Minor und als Austin Seven (in einigen Broschüren: Austin Se7en). Nur die Form des Kühlergrills, die Radkappen und die zur Auswahl stehenden Lackfarben unterschieden die beiden Modelle. Als wichtige Konstruktionsmerkmale hatte man Alec Issigonis mitgegeben, dass der Kleinwagen genug Platz für vier Personen, geringen Benzinverbrauch, tolle Fahreigenschaften und einen günstigen Preis aufweisen sollte. Den Stein des Anstosses für dieses Projekt hatte die Suez-Krise 1956 gesetzt, durch die eine gute Versorgung Europas mit arabischem Erdöl in Frage stand. So erschien ein möglichst sparsames Fahrzeugkonzept die vernünftigste Alternative.
Als Antrieb legte man sich bereits früh in der Entwicklungsphase auf den sogenannten ‚A-Motor‘ aus dem Austin A30 von 1951 fest. Diesen Vierzylinder verbaute man quer im vorn untergebrachten Motorraum und verlegte den Wasserkühler längs zwischen Motorblock und linkem Vorderrad. So konnte man wertvollen Platz vor der Passagierkabine einsparen. Gummi- anstelle von Stahlfedern und das geschickt gestaltete Interieur sorgten dafür, dass bei einer Gesamtlänge von nur 3.054 Millimetern tatsächlich vier Erwachsene und 195 Liter Gepäck in den Mini passten. Dessen Gesamtkonzept hatte Alec Issigonis (je nach Quelle) auf eine Serviette oder Tischdecke gezeichnet. Das 848 Kubikzentimeter große Triebwerk leistete 25 kW/34 PS und der Einstandspreis lag bei 496 GBP. Damit hatte das Ingenieursteam zwar alle geforderten Punkte erfüllt, allerdings war der Wagen seiner Zeit sehr weit voraus und traf daher nicht sofort auf großes Kundeninteresse.
Schon ein Jahr nach der Markteinführung präsentierte BMC weitere Varianten des Mini. So gab es nun einen Lieferwagen mit geschlossenen hinteren Seitenfenstern, einen Pick-Up und den Kombi, der je nach Ausführung Traveller oder Countryman hieß. 1961 folgten als Riley Elf und Wolseley Hornet zwei Limousinen-Ableger mit Stufenheck und eigenständiger Frontpartie. Zudem hatte sich der Rennwagenkonstrukteur John Cooper eingehend mit dem Kleinwagen befasst und ein außerordentliches Potenzial in dem Winzling entdeckt. Da er eng mit Alec Issigonis befreundet war, ergab sich alsbald die Chance, seine Tuningbemühungen in ein Serienmodell umzumünzen, das als Mini Cooper Weltruhm erlangte und den bis heute gängigen Rufnamen des Autos bildet. Anfänglich fertigte er ein auf 1.000 Exemplare limitiertes Sondermodell mit einem ein Liter großen Triebwerk mit 55 PS. Dieses traf auf höchstes Lob unter Autotestern und Kunden, die eigentlich nur eines forderten: mehr Leistung. So vergrößerte man den Hubraum weiter auf 1.071 Kubikzentimeter, aus denen die Techniker 70 PS schöpften. Geboren war der Mini Cooper S. Mit einem solchen Fahrzeug gelang Rauno Aaltonen ein Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo 1963, dem 1964, 1965 und 1967 Gesamtsiege folgten. Eigentlich gewann man auch 1966, wurde jedoch nachträglich wegen angeblich illegal montierten Zusatzscheinwerfern disqualifiziert.
Mit dem extrem offenen Mini Moke folgte 1964 eine weitere Variante, die eigentlich für militärische Zwecke entwickelt worden war. Drei Jahre später erhielt der normale Mini ein 998 Kubikzentimeter großes Triebwerk mit 38 PS und ab 1969 bot man parallel zum bekannten Modell auch den Mini Clubman mit neuer, kantigerer und elf Zentimeter längerer Frontpartie an. Auf dieser Basis entstand auch der Estate als Nachfolger von Countryman und Traveller. Auch der Mini Cooper entfiel vorerst aus dem Programm und wurde gegen den Mini Clubman 1275 GT mit 59 PS aus 1,3 Litern Hubraum ersetzt. Zudem erfolgte für alle Mini-Modelle eine optische Auffrischung mit Kurbel- statt Schiebefenstern und innenliegenden Türscharnieren. Inzwischen galt der Mini als kleines Statussymbol, das vom Hersteller in den 1970ern mit diversen Sondermodellen von luxuriös bis sportlich gefeiert wurde. Zwischen 1980 und 1983 endete die Produktion von Van, Clubman und Estate. Einzig der klassische Mini blieb im Programm, nun mit 40 PS aus einem Liter Hubraum. 1986 fertigte das Werk in Longbridge das fünfmillionste Exemplar.
Ab 1989 bot Mini, inzwischen eine eigenständige Tochterfirma von Rover, endlich wieder eine Cooper-Variante an, erst als Sondermodell mit dem 998er Triebwerk, schließlich ab 1990 wieder normal in Serie. Aus dem inzwischen 1,3 Liter großen Vierzylindermotor (exakter: 1.275 Kubikzentimeter) holte man nun 61 PS. Mit dem Mini Cabriolet debütierte 1991 letztmalig eine neue Karosserievariante, die allerdings nicht in Großbritannien, sondern in Deutschland entwickelt wurde. Bis 1993 fertigte das Autohaus Lamm im badischen Achern den Wagen in Eigenregie, anschließend übernahm das Werk die Fertigung und den Vertrieb und brachte bis 1996 etwa 1.000 Cabriolets in Umlauf. 1994 stieg BMW bei Rover ein und verpasste dem Mini umgehend ein Airbag-Lenkrad, um ihn auf wichtigen Märkten in Europa und Japan weiterhin zulassungsfähig zu halten.
Nach mehr als 5,3 Millionen Exemplaren und vier verschiedenen Modellen der Final Edition endete 2000 nach 41 Produktionsjahren die Ära des klassischen Mini endgültig. Trotz des annähernd zeitgleich erfolgenden Ausstiegs von BMW bei Konzernmutter Rover, verblieb die Marke Mini inklusive des fast fertig entwickelten Nachfolgemodells beim bayrischen Autokonzern. Ab 2001 rollte dieses neue Modell vom Band. Inzwischen gibt es bereits die dritte Generation des ‚New Mini‘, von dem es durch 3-Türer, 5-Türer, Clubman, Countryman und Cabrio inzwischen auch einen ordentlichen Variantenreichtum gibt. Zwischenzeitlich gab es von der zweiten Generation zusätzlich den Paceman, den Roadster und das Coupé. Alec Issigonis erhielt zehn Jahre nach der Markteinführung des ‚Classic Mini‘ durch Queen Elizabeth II den Ritterschlag für seine Verdienste um die britische Automobilindustrie. In unserer ersten Bildergalerie in diesem Artikel sehen Sie ihn gemeinsam mit dem allerersten gebauten Mini (Kennzeichen 621 AOK) und am offenen Motorraum eines weiteren Fahrzeugs.
Bilder: Mini, BMW Group