60 Jahre BMW 700

Ab Mitte der 1950er Jahre zogen dunkle Wolken über der Zukunft von BMW als unabhängiger Automobilbauer auf. Grund dafür war die ungewöhnliche Modellpalette, die zum einen Aufsteiger auffing, die vom Motorrad auf’s Auto umstiegen und in Isetta oder 600 eine entsprechende Möglichkeit fanden. Zum anderen gab es die luxuriöse Limousine 502 sowie deren technische Ableger 503 und 507 mit V8-Triebwerken, die sich an die oberen 10.000 richteten. Dazwischen gab es eine Lücke so breit wie der Grand Canyon. Hatte man in München anfänglich noch gutes Geld mit den Kleinstwagen verdient, fehlte in Zeiten des Wirtschaftswunders ein adäquates Fahrzeugmodell darüber. 1957 fiel daher der Entschluss, ein entsprechendes Projekt in Auftrag zu geben und hierfür ein italienisches Designhaus mit der Karosseriegestaltung zu betrauen. 1958 entschied man sich für einen Entwurf von Michelotti, der von BMW in Eigenregie zur zweitürigen Limousine, 2+2-sitzigen Coupé und Cabriolet weiterentwickelt wurde.

Wie bereits der BMW 600 erhielt auch der 700 einen im Heck untergebrachten Zweizylinder-Boxermotor mit einem Kurbelgehäuse aus Leichtmetall und Gebläsekühlung. Allerdings vergrößerte man den Hubraum auf 700 Kubikzentimeter, wodurch die Leistung auf 22 kW/30 PS stieg. Ein Jahr später erfolgte die Einführung des 700 Sport und 700 Coupé CS mit 29,4 kW/40 PS. Das bei Baur gefertigt 700 Cabriolet war ausschließlich mit diesem stärkeren Triebwerk erhältlich. Ab 1963 stieg die Leistung der Basismotorisierung auf 23,5 kW/32 PS. Interessanterweise zeigten Limousine, Coupé und Cabriolet in Länge und Breite die gleichen Abmessungen von 3,54 mal 1,48 Metern. Durch die veränderte Dachpartie unterschreitet das Coupé die Höhe der Limousine jedoch um 75 Millimeter, während das Cabriolet durch das Stoffverdeck nur 55 Millimeter flacher ist. Ab 1962 erschien als Nachfolger der Limousine der 700 LS mit einem um 16 Zentimeter verlängerten Radstand, verbesserter Aufhängung und modifizierter Motorkühlung. Das Coupé gab es parallel mit kurzem oder langem Radstand. Dank eines Leergewichts von nur 640 Kilogramm erreicht die Limousine bis zu 120 km/h Höchstgeschwindigkeit (Coupé: 650 kg, 125 km/h – Cabriolet: 685 kg, 135 km/h).

Unter der vorderen Haube fand das Gepäck seinen Platz. BMW gab an, dass zwei Normkoffer mit 70 Zentimetern Länge nebst Kleingepäck untergebracht werden könnten. Unterhalb der Ladefläche saß der Benzintank, vor dem das Reserverad verstaut wurde. Optisch fällt auf, dass BMW beim 700 einmaligerweise auf die Verwendung des typischen Nierengrills verzichtete. Zudem zeigt das Coupé letztmalig in der BMW-Geschichte keinen ‚Hofmeister-Knick‘ an der C-Säule. Runde Scheinwerfer und senkrecht stehende Rückleuchten schufen einen Vorgeschmack auf das BMW-Design der 1960er Jahre. Als der 700 1959 auf den Markt kam, stand BMW endgültig mit dem Rücken zur Wand. Die letzten Finanzen hatte man in die Entwicklung des neuen Modells gesteckt. Tatsächlich hatte man allerdings ins Schwarze getroffen und fand reichlich Käufer. Zusätzlich stieg 1966 die Familie Quandt als Großaktionär ins Unternehmen ein und sicherte BMW damit vor einer feindlichen Übernahme durch andere Firmen wie Mercedes-Benz. Bis September 1965 liefen 181.411 Exemplare vom Band und schufen damit finanzielle Rücklagen für ein neues Mittelklassemodell, das schließlich als ‚Neue Klasse‘ berühmt wurde.

Bereits von Anfang an rollten Privatfahrer und einige werksunterstützte Piloten mit dem 700 Coupé bei Bergrennen und Rallyes an den Start. Unter ihnen fanden sich unter anderem auch Alexander von Falkenhausen oder Hans Stuck senior, der 60-jährig am Steuer eines 700ers noch einmal Bergmeister wurde. Dank klassischem Motortunings mit erhöhter Verdichtung und zwei Fallstromvergasern von Solex stieg die Leistung auf 60 PS, während der Entfall der Innenausstattung das Leergewicht auf 600 Kilogramm senkte. Für 1961 entwickelte BMW zwei offene Rennvarianten, den 700 RS, mit Gitterrohrrahmen, Aluminiumkarosserie, einem auf zwei Meter verkürzten Radstand und einem Königswellen-Triebwerk mit 70 PS. BMW nutzte den 700 RS bis 1964 siegreich bei diversen Rennveranstaltungen. Heute befindet sich ein Exemplar in der Werkssammlung in München, während der zweite RS eine amerikanische BMW-Sammlung krönt.

Bilder: BMW