50 Jahre Mercedes-Benz /8 Coupé
„Früher war alles besser,“ ist ein gerne gehörter Spruch von Senioren gegenüber der heute jungen Generation. Aber ist das wirklich so? Zumindest in Zentraleuropa leben wir solange wie selten in der Geschichte kriegsfrei. Das Warenangebot ist größer denn je. Allerdings geht inzwischen die Schere zwischen Armen und Reichen auch weiter auseinander als jemals zuvor. Zudem gestalten deutsche Autobauer ihre Neuwagen inzwischen eher nach chinesischem Geschmack als nach dem des heimischen Marktes. Ist am Ende vielleicht doch etwas an der Aussage dran? Keine Bange, wir verlieren uns jetzt nicht in politischen Debatten. Wir werfen einfach nur einmal einen Blick auf das aktuelle E-Klasse Coupé von Mercedes-Benz und vergleichen es mit seinem Urahnen, dem W114 Coupé von 1968. Aufgrund der Markteinführung im Jahr der politischen Revolutionen erhielten die Fahrzeuge der Oberen Mittelklasse in den internen Unterlagen des Daimler-Konzerns den Vermerk ‚/8‘ für das Baujahr. Diese Bezeichnung setzte sich im Volksmund schnell durch, weshalb alle Ableger dieser Modellreihe heute noch als ‚Strich-Acht‘ bekannt sind. Damit werden zudem beide internen Entwicklungskürzel W114 (Fahrzeuge mit Sechszylindermotoren) und W115 (Vier- und Fünfzylindertriebwerke) zusammengefasst, obwohl sie unter dem Blech einen anderen Vorbau für die Aufnahme der Motoren hatten.
Nachdem die Limousinen des /8 bereits im letzten Quartal 1967 debütierten, folgte im November 1968 auch endlich die Premiere des eleganten zweitürigen Coupés. Später folgten ab Werk noch die Limousinen mit langem Radstand und Fahrgestelle für Sonderaufbauten wie Kranken- oder Leichenwagen. Ab Februar 1969 rollten die ersten Exemplare als 250 C mit Vergaser oder 250 CE mit Einspritzanlage zu den wartenden Kunden. Während der 250er-Vergasermotor zu diesem Zeitpunkt mit seinen 130 PS noch die Spitzenposition bei den Limousinen einnahm, gab es exklusiv im Coupé noch den Nachschlag auf 150 PS im 250 CE. Ab 1972 ergänzte der 280 C mit 160-Vergaser-PS das Angebot, während der 250 CE durch den 280 CE mit 185-Einspritzer-PS ersetzt wurde. Insgesamt entstanden bis zum Produktionsende im August 1976 mehr als 67.000 Exemplare des /8 Coupés, wobei der 250 CE mit 21.787 Stück die Spitzenposition einnahm. Das spätere Topmodell 280 CE erreichte 11.518 Exemplare.






















Mit dem 250 CE setzte Mercedes-Benz ein klares Ausrufezeichen. Der kräftige Motor ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h und lag damit nur ganz knapp unter der damals noch magischen 200er Marke, die nur von echten Sportwagen durchdrungen wurde. Da wären wir wieder bei unserer eingangs gebrauchten Formulierung, Sie erinnern sich? Fragen Sie heute einmal einen Jugendlichen, was ihm 200 km/h bedeuten. Ab 400 km/h wird es so langsam wieder interessant. Mit dem 280 CE erreichten die Stuttgarter schließlich tatsächlich Werte mit der 2 am Anfang.
Gegenüber den Limousinen senkten die Gestalter bei Mercedes-Benz die Dachlinie des Coupés um 4,5 Zentimeter ab und stellten Front- und Heckscheibe flacher in den Wind. Somit versprüht der Zweitürer mehr Dynamik. Hinzu kommt ein Gefühl von Freiheit, sobald die rahmenlosen vorderen und die voll versenkbaren hinteren Seitenscheiben ohne B-Säulen heruntergekurbelt sind und der Fahrtwind durch das Cockpit streichen kann. Hier herrscht ansonsten klarer Luxus durch Edelholzfurniere und hochwertige Sitzbezüge. Ab der großen Modellpflege 1973 kamen zudem Annehmlichkeiten wie von innen verstellbare Außenspiegel sowie ein Vierspeichen-Sicherheitslenkrad, Kopfstützen und Automatik-Sicherheitsgurte hinzu. Von außen trugen die Coupés nun schmutzabweisende Zierleisten an den A-Säulen, verschmutzungsarme Rückleuchten und einen breiteren Kühlergrill.






Die Entwicklung des /8 Coupé begann durch einen entsprechenden Auftrag an Entwicklungschef Prof. Dr. Fritz Nallinger am 11. Dezember 1964. Bereits am 3. September 1965 präsentierten Designchef Paul Bracq und sein Team dem Vorstand zwei unterschiedliche Entwürfe, die als linke und rechte Seite am gleichen Prototypen ausgeformt wurden. Auf diese Weise musste man nicht zwei Fahrzeuge im Originalmaßstab aufbauen. Beide Entwürfe waren jedoch in Bezug auf die Seitenscheibengestaltung noch nicht auf dem Stand der späteren Serie. Während die linke Seite ein viel weiter nach hinten gezogenes Fensterbild aufzeigte, erinnert der Knick auf der rechten Seite stark an die Linienführung eines Münchener Mitbewerbers. Letztlich muss man offen anerkennen, dass die überarbeitete Form in der Serie definitiv die eleganteste Lösung ist.
Obwohl es im /8 noch nicht erhältlich war, nutzte Mercedes-Benz diese Baureihe, um gemeinsam mit Bosch das Antiblockier-System (ABS) weiterzuentwickeln. Anhand von zwei Coupés führte man das ‚Teldix‘ getaufte System 1970 einigen Journalisten im Betrieb vor, um die Vorzüge klarzumachen. ABS kam ab 1978 bei Mercedes-Benz in der Serienproduktion zum Einsatz. Zu diesem Zeitpunkt war die Fertigung des /8 Coupés bereits seit zwei Jahren beendet. Früher war also nicht alles besser, aber manches.
Bilder: Mercedes-Benz