50 Jahre Lamborghini Jarama

Lamborghini’s Kampfstierzucht in Sant’Agata Bolognese ist inzwischen weltweit bekannt. Zwar wachsen hier keine Rinder für den Stierkampf heran, wohl aber hochpotente Sportwagen. Als die Marke noch nicht einmal zehn Jahre alt war, befand man sich noch ein wenig in der Findungsphase. Mit dem Miura belegte man als eine der ersten Marken das Segment der Supersportwagen. Parallel gab es jedoch etwas, das es im heutigen Modellportfolio nicht mehr gibt: einen 2+2-sitzigen Sportwagen. Beginnend mit dem 400 GT 2+2, der aus dem Urmodell 350 GT hervorging, ging es weiter zum Islero, der technisch weiterhin auf dem 400 GT basierte, aber optisch komplett neu auftrat. Zudem debütierte als dritte Modellreihe 1968 der ebenfalls viersitzige Gran Turismo Espada sowie der kleine V8-Einstiegssportwagen Urraco. Dadurch brachen die Verkaufszahlen des Islero ein, da die Kundschaft offenbar avantgardistischeres Design wünschte. Zudem erfüllte der Islero die strenger werdenden Abgas- und Sicherheitsvorschriften in den USA nicht mehr. Daher entwickelte Lamborghini ein Nachfolgemodell als ‚distinguierten Gran Turismo für den arrivierten Geschäftsmann‘.

1970 debütierte es als Jarama auf dem Genfer Autosalon. Firmengründer Ferruccio Lamborghini beschrieb ihn als „besten Kompromiss zwischen Miura und Espada.“ Diesen Eindruck hatte die angepeilte Kundengruppe jedoch offenbar nicht. Der Jarama blieb das, was man bei Menschen als Mauerblümchen bezeichnen würde. Als der Miura durch den keilförmigen und Aufsehen erregenden Countach ersetzt wurde, verbesserte sich der Status des Jarama keineswegs. In diese Zeit fiel auch die weltweite Ölkrise. Durch die damit verbundenen Absatzsschwierigkeiten für leistungsstarke Autos litten vor allem kleine Firmen wie Lamborghini, wodurch es hier 1972 zur Aufsplittung zwischen der Sportwagen- und der Traktor-Sparte und zu einem Verkauf beider Abteilungen kam. Während die Same Group (heute Same Deutz-Fahr) die Traktorproduktion weiterführte, ging der Sportwagenbereich an die Unternehmer René Leimer und Georges-Henri Rossetti aus der Schweiz. Sie versuchten Lamborghini wieder profitabel zu machen und strichen daher das Modellprogramm zusammen, wobei 1976 als allererstes der Jarama eingestellt wurde. Durch verzögerten wirtschaftliche Schwierigkeiten jedoch die Komplettierung der letzten Exemplare, die schließlich erst 1978 das Werk verließen. Zu dieser Zeit war Lamborghini bereits im Insolvenzprozess, der 1980 durch den Kauf von Patrick Mimran beendet wurde.

Im Gegensatz zum heutzutage üblichen Produktionsprozess, bei dem die Komponenten ohne große Lagerhaltung möglichst zeitgenau ans Fertigungsband geliefert werden, entstand der Lamborghini noch auf klassische Art und Weise. Bei Bertone, wo Marcello Gandini die Karosserie gestaltet hatte, entstanden sowohl der Plattformrahmen als auch die Karosseriebleche, während Lamborghini die V12-Triebwerke produzierte. Anschließend gingen alle Teile zum Zusammenbau zu Carrozzeria Marazzi in der Nähe von Mailand. Allerdings war diese Firma chronisch unterbesetzt und unterfinanziert, wodurch die handwerkliche Qualität der Fahrzeuge oftmals äußerst bescheiden blieb. Daher verlagerte Lamborghini den Zusammenbau 1972 komplett zu Bertone. Der V12 saß vorn längs verbaut und entwickelte aus vier Litern Hubraum im anfänglichen Jarama 400 GT 350 PS. Zwei Jahre nach der Premiere erfolgte die Weiterentwicklung zum Jarama 400 GTS mit 365 PS. Während im GT ausschließlich ein manuelles Fünfgang-Getriebe erhältlich war, gab es ab 1974 im GTS optional auch eine Dreigang-Automatik.

Gandini hatte beim Jarama ein für Sportwagen eher untypisches Design mit geometrischen Trapezformen und relativ hohem Bereich für das Triebwerk sowie einem tief abfallendem Fließheck erschaffen. Interessanterweise gab es bereits 1969 eine Konzeptstudie von Bertone mit sehr ähnlichem Design, den Fiat 128 Shopping. Vorn verdeckte er die Scheinwerfer im abgeschalteten Zustand zur Hälfte mit nach unten beweglichen Blechen in Wagenfarbe. Rückspiegel, Heckleuchten und Türgriffe entstammten dem Fiat-Teileregal. Interessanterweise trug der erste Prototyp, der auch in unserer Bildergalerie zu sehen ist, noch Rückleuchten vom ersten Audi 100. Lamborghinis Cheftestfahrer Bob Wallace baute sich nach Feierabend einen besonderen Jarama auf, der je nach Quelle den Beinamen ‚Sport‘ oder ‚Bob‘ trägt. Bei den Veränderungen ging es ihm vor allem darum, den Wagen für mögliche Einsätze im Motorsport auszurüsten. Türen und Motorhaube wurden durch Aluminiumteile ersetzt, Kofferraumdeckel und Seitenscheiben bestehen aus Kunststoff. Zudem wanderten die Scheinwerfer weiter nach unten in die Stoßstange, während darüber der Bereich mit den klappbaren Blechteilen entfiel. Ebenso fehlt die hintere Stoßstange, während vorn ein heruntergezogener Spoiler mehr Anpressdruck generieren soll. Das im Vergleich zur Serie einige Zentimeter weiter Richtung Fahrzeugmitte verbaute Triebwerk erhielt leichtere Kolben und Pleuel, größere Vergaser von Weber und veränderte Luftfilter, wodurch die Leistung auf 380 PS anstieg. Insgesamt sind 188 Jarama 400 GT sowie 139 Jarama 400 GTS entstanden. Trotz dieser Seltenheit werden sie heute immer noch günstiger gehandelt als andere V12-Modelle aus der Anfangszeit von Lamborghini.

Bilder: Lamborghini