45 Jahre Volkswagen Golf
An diesem Auto hingen viele Erwartungen. Der heutige Weltkonzern verdankt dem guten Konzept, das hinter diesem Modell steckte, letztlich seinen heutigen Erfolg und Status. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass es die Marke unter Umständen heute in ihrer heutigen Form nicht mehr geben würde, wenn dieser Wagen gefloppt wäre. Und ein solcher Flop war keinesfalls auszuschließen, als man den Wagen in die Serienproduktion übernahm. Im Gegenteil, gusseiserne Markenfans hielten es für ein riesiges Sakrileg vom bisher eingeschlagenen Weg derartig abzuweichen. Da Sie als Leser diesen Artikel angeklickt haben, wissen Sie natürlich auch, um welches Auto welcher Marke es geht. Aber vielleicht ist Ihnen die Geschichte hinter dem Volkswagen Golf nicht so richtig bewusst. VW kannte man bis zur Premiere des Golf ausschließlich für Fahrzeuge mit Heckmotorkonzept, luftgekühlten Triebwerken und Hinterradantrieb. Im Nutzfahrzeugbereich und in der Kriegszeit hatte es zwar einige Experimente mit Allradantrieben gegeben, diese blieben jedoch bis zu diesem Zeitpunkt eher vereinzelte Akzentpunkte. Der weltweit beliebte Käfer (der werksseitig nie so hieß, diesen Spitznamen aber inzwischen offiziell tragen darf) war zwar ein Verkaufserfolg, ließ sich aber für die aufkommenden Zulassungs- und Crashvorschriften in Europa und einigen weiteren Staaten nicht mehr adaptieren. Immerhin datierte das von Ferdinand Porsche erdachte Grundkonzept auf die 1930er Jahre zurück.
Dies musste schließlich auch der langjährige VW-Chef Heinrich Nordhoff erkennen. Daher entwickelte Volkswagen im Laufe der Zeit diverse Prototypen, die als Nachfolgemodell angedacht waren. Am aussichtsreichsten erwies sich in den 1960ern der EA266 (EntwicklungsAuftrag), den man gemeinsam mit Porsche als Mittelmotorfahrzeug (Antrieb unterhalb der Rückbank) als Modellfamilie entwickelte. Porsche hätte von einer Sportwagenvariante profitieren können. Kurz vor der geplanten Fertigung der sogenannten Nullserie, also der finalen Prototypen mit denen der Produktionsablauf auf eventuelle Probleme überprüft wird, stoppte der damals neue VW-Chef Kurt Lotz 1971 das Projekt aus Kostengründen und ließ so gut wie alle Prototypen und Technologiekomponenten verschrotten. Man begann also erneut bei null auf dem weißen Blatt Papier. Parallel zum neuen Mittelklassemodell Passat, das aus dem Audi 80 weiterentwickelt wurde, arbeitete die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von VW schließlich an einem Auto mit Vorderradantrieb, vorn untergebrachtem, wassergekühlten Motor und einer für die damaligen Zeit ungewöhnlich großen Kofferraumklappe. Für das Styling konnte man sich die Dienste von Giorgetto Giugiaro aus Italien sichern. Er erstellte ein kantiges, aber gefälliges Design, das sowohl mit zwei als auch mit vier Türen gut funktioniert.
Parallel zu den hinter den Kulissen stattfindenden Arbeiten am neuen Golf brachen die Verkaufszahlen von Volkswagen international ein. Man darf also davon ausgehen, dass die Konzernleitung mit dem Rücken zur Wand stand. Wenn die Kundschaft den neuen Golf und den generellen Konzeptwechsel nicht akzeptiert hätte, hätte man die Belegschaft des Wolfsburger Stammwerkes vermutlich nach Hause schicken können. Um auch die althergebrachten Interessenten bei Laune zu halten, bot man den Käfer parallel bis 1985 an. Einzig das bei Karmann in Osnabrück gebaute Käfer Cabriolet gab es ab 1980 nicht mehr. Dafür übernahm der Karosseriebauer im Werksauftrag den Aufschnitt des Golf, den es ab 1979 als Cabriolet gab. Auch von der Limousinenvariante des Golf, dem Jetta, fertigte Karmann testweise einige Cabrio-Prototypen an, die jedoch nie in Serie gingen. Daneben gab es als weitere Karosserievariante des Golf noch einen Pickup als leichtes Nutzfahrzeug namens Caddy.
Am 29. März 1974 liefen in Wolfsburg die Produktionsbänder für den Golf an, doch es dauerte noch bis Mai, ehe die ersten Autos beim Händler standen. Anfänglich gab es neben dem 1,1-Liter-Basismotor mit 37 kW/50 PS auch ein 51 kW/70 PS starkes Triebwerk mit 1,5 Litern Hubraum. Entgegen vorheriger Befürchtungen entwickelte sich der Golf zum absoluten Verkaufserfolg. Neben einem Dieseltriebwerk präsentierte VW im Laufe der Produktionszeit diverse weitere Motorvarianten. Berühmt wurde davon jedoch nur eine. Im September 1975 debütierte auf der IAA in Frankfurt der Golf GTI mit einem 110-PS-Vierzylindertriebwerk, Sportfahrwerk, ‚Spucknapf-Sportlenkrad‘ und einigen optischen Highlights wie einer roten Grillumrandung und mattschwarzem Foliendekor an der Heckklappe. Diese Sportversion des Golf hatten leitende Entwicklungsingenieure in ihrer Freizeit erdacht und schließlich der eher skeptischen Firmenleitung nebst der Marketingabteilung präsentiert. Diese ging anfänglich von allenfalls 5.000 Exemplaren aus, die man von diesem heißen Feger absetzen könne. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man bereits im März 1976 den 500.000sten Golf gefeiert und konnte dies im Oktober des gleichen Jahres auf eine glatte Million verdoppeln. Ingesamt wurden es schließlich 6,99 Millionen Golf 1. Dass die Schätzung für den GTI ebenfalls nicht zutraf, wissen Autofans ebenfalls. Bis zum Ende der Golf-1-Produktion 1983 gab es noch den GTI Pirelli mit ganz besonderen Leichtmetallrädern, deren Belüftungsöffnungen das P von Pirelli nachbildeten. Nachdem die deutsche Fertigungsstraße längst auf den Golf 2 umgestellt war, lief das Urmodell noch bis 2009 als Citi Golf in Südafrika vom Band. Inzwischen stehen alle Zeichen auf ‚8‘, denn die achte Golf-Generation debütiert in wenigen Tagen.
Bilder: Volkswagen