30 Jahre Volkswagen Rallye Golf

Wer an Volkswagen im Rallyesport denkt, hat natürlich schnell das von 2013 bis 2016 andauernde Engagement in der World Rally Championship (WRC) mit dem Polo R WRC vor Augen. Allerdings reicht die Geschichte von VW in dieser Motorsportart deutlich weiter zurück. Bereits mit dem legendären Käfer wagten sich einige Piloten werksunterstützt auf schlammige Pfade und auch in der Gruppe-A-Weltmeisterschaft der späten 1980er war man unterwegs. Hier war es der Golf II, der in der GTI-Variante als Basisfahrzeug diente. Von 1986 bis 1988 kamen dabei einige Achtungserfolge inklusive dem Gruppe-A-Titel 1986 für Kenneth Eriksson heraus. An diese Erfolge wollte man anknüpfen, musste dazu das Fahrzeug jedoch deutlich weiterentwickeln, um gegen Mitbewerber wie Lancia mit dem Delta Integrale, Ford mit dem Sierra RS Cosworth, Toyota mit der Celica oder Mazda mit dem 323 GTi-R anzukommen. Daher entstand in der Motorsportabteilung ein Golf II mit verbreiterten Kotflügeln und weiteren technischen Feinheiten, der zudem ein neues Gesicht mit eckigen anstelle der sonst üblichen runden Scheinwerfer erhielt. Entsprechend des Gruppe-A-Reglements musste man 5.000 Exemplare dieses Fahrzeugs als Serienfahrzeuge auflegen, um die Rallyeversion offiziell einsetzen zu dürfen. Daher präsentierte Volkswagen Anfang 1989 den Rallye Golf als absolutes Topmodell der Baureihe mit einem Grundpreis von 46.500 DM – fast doppelt so teuer wie ein normaler Golf GTI in der gleichen Zeit. Dieser hohe Grundpreis führte dazu, dass der amerikanische Volkswagen-Importeur darauf verzichtete, den Rallye Golf in Kanada und den USA anzubieten. Bis 1991 liefen die geforderten 5.000 Exemplare in Forest in der Nähe von Brüssel vom Band.

Neben den eckig ausgestellten Kotflügeln und der veränderten Frontpartie erhielt der Rallye Golf einteilige, in Wagenfarbe lackierte Stoßfänger an Front und Heck, vorn mit angesetzter Spoilerlippe und hinten einen kleinen Dachkantenspoiler. Die Rückleuchten waren im oberen Bereich abgedunkelt. Er war ausschließlich als Dreitürer lieferbar und üblicherweise serienmäßig mit einem Schiebedach ausgestattet, was der Nutzung als Homologationsauto eigentlich entgegensprach. In der Spätphase der Produktion legte VW 50 Exemplare ohne Schiebedach auf, die zudem allesamt eine Volllederausstattung bekamen. Ansonsten gab es gegen Aufpreis Sportsitze von Recaro, elektrisch verstellbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber und diverse Autoradios. Unter der Motorhaube saß ein 1,8 Liter großer Vierzylindermotor aus dem Golf GTI, der dank des damals revolutionären G-Laders auf 118 kW/160 PS kam. Im Rallyefahrzeug waren es sogar bis zu 270 PS. Über den für aufgeladene Motoren angewendeten Umrechnungsfaktor 1,7 kam man mit den 1.763 Kubikzentimetern auf knapp unter drei Liter Hubraum und fuhr damit in der entsprechenden Kategorie der Gruppe A mit. Über ein manuelles Fünfgang-Getriebe gelangten die Kräfte auf den permanenten Syncro-Allradantrieb und von dort aus weiter auf die 15 Zoll großen Räder. Im Vergleich zum normalen Serien-Golf bekam die Servolenkung ein direkteres Setup und ABS gehörte zum Standardumfang. Für den Rallyesport entwickelte Volkswagen Motorsport allerdings eine nochmals heißere Variante dieses Triebwerks mit 16 Ventilen und mehr Leistung, das jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.

Von diesem G60-16V-Triebwerk entstanden laut internen Quellen rund 200 Exemplare, wovon einige testweise in den Rallyeautos ihren Dienst verrichteten. Dort sollen sie etwa 300 PS stark gewesen sein. Doch auch Privatkunden konnten in den Genuss dieses Kraftwerks kommen. Während Corrado G60 16V und Passat G60 16V seltene Zeitgenossen für einige wenige Manager des VW-Konzerns blieben, bot sich Käufern des im Brüsseler Volkswagen-Werks gebauten Rallye Golf die Chance, gegen einen Aufpreis von rund 25.000 DM nachträglich bei VW Motorsport in Hannover das Sechzehnventiler-Aggregat verbauen zu lassen. Tatsächlich fanden sich 12 Enthusiasten, die diese Möglichkeit nutzten. Im Rallyesport nutzte die Umstellung auf den Rallye Golf allerdings nicht viel. Wenigen Erfolgen wie dem dritten Platz bei der Rally New Zealand standen diverse technische Probleme und die Unterlegenheit gegenüber neueren Entwicklungen der Mitbewerber entgegen. 1990 beendete man daher das Werksengagement – auch weil bereits der Golf III in den Startlöchern stand. Einige Privatfahrer fuhren den Rallye Golf bis 1995 weiter.

Unter VW-Insidern ist jedoch auch bekannt, dass Volkswagen Motorsport eine weitere Offerte bot, um als Privatkunde in den Genuss des 210 PS und 252 Newtonmeter starken Motors zu kommen. Ebenfalls im Jahr 1989 erschien der viertürige Golf G60 Limited auf der Straße. Eine Messepremiere gab es nach unserer Kenntnis nie, ebensowenig wie Präsentationsveranstaltungen bei Händlern oder großformatige Hochglanzbroschüren. Wer ihn haben wollte, musste gut bei VW vernetzt sein und zudem über eine gut gefüllte Geldbörse verfügen. Es galt auch vor 30 Jahren schon als ein wenig verrückt, für einen von außen nach nichts Besonderem aussehenden Golf II tatsächlich 68.500 DM auszugeben. Allerdings nummerierte VW Motorsport den Limited auf einer Aluplakette am Schlossträger im Motorraum konsequent durch und fertigte insgesamt nur 71 Exemplare von Hand in den eigenen Räumlichkeiten in Hannover, was die Wertstabilität dieser Variante bis heute garantiert. Das Exterieur im Farbton schwarz metallic zeigte sich bewusst absolut zurückhaltend. Wären da nicht der hellblaue Rand um den Kühlergrill, die VW Motorsport Logos an Front und Heck, die mehrteiligen BBS Alufelgen und die abgedunkelten Heckleuchten, es könnte sich auch um einen der vielen Millionen Golf II handeln, die von Vertretern, Hausfrauen und Rentnern durch Deutschland bewegt wurden. Allerdings hatte der Golf Limited problemfrei einen Platz auf der linken Spur der Autobahn und blieb bis zur Einführung des Golf IV R32 der leistungsstärkste Serien-Golf.

Bilder: Volkswagen, Matthias Kierse