Ockelbo
Autobauer haben häufig gut klingende Namen. Ferdinand Porsche, Enzo Ferrari, Ferruccio Lamborghini, Ettore Bugatti oder Horacio Pagani sind nur einige, die Autofans direkt in den Sinn kommen. Doch nur wenige werden mit dem Namen Erik Lundgren etwas anfangen können. In seinem Heimatland Schweden war er jedoch, zumindest in den 1950er Jahren, durchaus bekannt. Er erhielt aufgrund einiger Rennsiege, die er mit einem Eigenbaurennwagen mit V8-Motor und acht Einzelvergasern auf Ford-Basis errang, den Spitznamen „Zauberer von Ockelbo“. Rund 280 PS standen ihm zur Verfügung, um seinen Gegnern mit bis zu 220 km/h auf den schwedischen Schotterpisten davonzufahren. Außerdem schrieb er sich mit einem weiteren Eigenbau für das Formel-1-Rennen auf der Nürburgring Nordschleife im Jahr 1951 ein, nahm jedoch aus ungenanntem Grund nicht teil. Ockelbo ist übrigens eine Stadt in Ostschweden und, was wohl zu erahnen war, die Heimat von Erik Lundgren.
Form vom Ferrari 500 Mondial
Aufgrund seiner Rennerfahrungen machte er sich Gedanken darüber, wie er noch erfolgreicher sein könnte. Schließlich hörte er von einer ausgebrannten Alfa Romeo Giulietta Sprint, die günstig angeboten wurde. Er ließ seinen Gedanken freien Lauf: Wenn er auf das noch intakte Chassis eine leichte Kunststoffkarosserie setzen und das Gesamtkonstrukt durch einen guten Motor antreiben würde, hätte er ein absolut siegfähiges Konzept. Wie der Zufall es so wollte hatte sein Freund und Rennfahrerkollege Ufe Norinder gerade seinen neuen Ferrari 500 Mondial erhalten. Er willigte ein, als Erik ihn darum bat, Formen von der Karosserie abnehmen zu dürfen. In Handarbeit entstand eine Negativform, die Lundgren in der Folgezeit für die Herstellung von rund 50 Karosserien aus GfK benutzte. Vielfach attestierten damalige Kunden eine bessere Passform dieser Kunststoffteile, als bei den Aluminiumteilen des Originals aus Italien.
































Verschiedene Antriebe
Als Antriebsquellen verbaute Lundgren das, was die Kunden wünschten. So entstanden Ockelbo-Sportwagen mit Motoren von Alfa Romeo, Austin-Healey, Frazer Nash, Volvo und weiteren Herstellern. Auch die Chassis variierten zwischen denen der Alfa Giulietta und des Austin-Healey 100. Lundgren lieferte dabei die Komponenten überwiegend als Bausätze aus, um den Kunden die Steuern für einen Neuwagen zu ersparen. Auf der Techno Classica 2013 wurde ein dunkelblaues Fahrzeug mit einem Volvo-B18B-Motor und dem Chassis eines Austin-Healey 100 gezeigt. Mit seinen rund 140 PS bei nur rund 800 Kilogramm Leergewicht bietet es mit Sicherheit reichlich Fahrspaß. Ein Viergang-Schaltgetriebe mit Overdrive-Funktion überträgt die Kraft des auf zwei Liter Hubraum aufgebohrten Triebwerks auf die Hinterachse.
Belgier restaurierte dieses Auto
Der Innenraum gibt sich dabei sportlich-karg. Er verfügt lediglich über ein Holzlenkrad, zwei mit Leder bezogene Sitzschalen, einen Schalt- und einen Handbremshebel, sowie fünf Rundinstrumente am Armaturenbrett. Mehr brauchte es nicht, um auf der Rennpiste anderen, teilweise stärkeren Sportwagen und ihren Fahrern das Fürchten zu lehren. Die Ockelbo-Sportwagen fanden allerdings außerhalb von Skandinavien kaum Verbreitung. Es ist schon beachtlich, dass das 2013 auf der Techno Classica ausgestellte Exemplar keinem Schweden, Norweger, Dänen oder Finnen gehörte. Stattdessen baute ein Belgier den Wagen mit viel Liebe zum Detail wieder auf.
Bis heute neu erhältlich
Die Grundkarosserie nebst Chassis von Alfa Romeo ist im übrigen bis heute in Schweden als Kitcar erhältlich. Unter dem Namen Pagano wird das Werk des 1967 verstorbenen „Zauberer von Ockelbo“ weiterhin angeboten. Es kann als Kit Car in der heimischen Garage zusammengesetzt werden. Lediglich ein Motor nebst Getriebe muss dann noch besorgt werden, wobei Pagano selbst Alfa-Motoren mit vier oder sechs Zylindern vorschlägt. Erik Lundgren wurde durch diesen Eigenbau-Sportwagen später fast nur noch „Ockelbo-Lundgren“ genannt. Er hatte sich im übrigen in späteren Jahren auf den Bau von Kunststoff-Booten verlagert. Er begründete die Werft Ockelbo-Båtar AB mit, die bis 1979 diverse Boote in verschiedenen Größen im Programm hatte.
Bilder: Matthias Kierse