Tucker 48

Marken wie Chevrolet, Cadillac oder Buick gehören zum festen Sprachgebrauch, wenn man über amerikanische Autos spricht. Doch ein Hersteller hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Autofans gebrannt – und das obwohl er mit seinem einzigen gebauten Modell grandios gegen die etablierten Größen scheiterte und insgesamt lediglich 51 Exemplare produzierte. Die Rede ist von Preston Thomas Tucker, der auf einer Pfefferminzfarm nahe Detroit aufwuchs und bereits mit 16 Jahren mit der Reparatur von günstig aufgekauften PKW begann, die er anschließend mit Gewinn weiterverkaufte. Seine Ausbildung an der Cass Technical High School brach er ab, um bei Cadillac als Bürobote zu arbeiten. Anschließend war er kurz bei der Polizei in Michigan beschäftigt, wurde allerdings entlassen, als auffiel, dass er das Mindestalter noch nicht erfüllte. Es folgte die Pacht einer Tankstelle, eine Zeit bei Ford am Fließband und schließlich eine weitere Periode bei der Polizei. Anschließend begann er verschiedene Automarken zu verkaufen.

In diesem Zeitraum lernte er beim Indy-500-Autorennen Harry Miller kennen, der dort mit seinen Rennwagen und -motoren mehrfach gewann und schließlich 1935 mit Preston die ‚Miller and Tucker Inc.‘ gründete. Parallel tüftelte Tucker zwei Jahre später in seiner eigenen Firma ‚Ypsilanti Machine and Tool Company‘ an einem schnellen Schützenpanzer mit Miller-Packard-V12-Motor unter dem Namen Tucker Tiger. Letztlich kam es jedoch nicht zu einer Serienfertigung. Anschließend versuchte er sein Kampfflugzeug Tucker XP-57 über eine eigens gegründete Aktiengesellschaft zu finanzieren, was misslang. Er verkaufte die Firma und ging mit Plänen für ein eigenes Automobil zurück nach Detroit. Dieses eigene Auto stellte er in einem Artikel der ‚Science Illustrated‘ Ende 1946 als Tucker ’48 vor. Die Zahl sollte auf das geplante Modelljahr 1948 hinweisen, während das Fahrzeug selbst sich vor allem durch neueste Sicherheitstechnik auszeichnete, die in dieser Kombination bis dahin noch an keinem Serienfahrzeug zu finden waren.

Obwohl Preston Tucker nie eine entsprechende Ausbildung oder gar ein Studium absolvierte, begann er auf eigene Faust mit der Entwicklung des von ihm erträumten Fahrzeugs. Während er sich dabei hauptsächlich um den technischen Part kümmerte, zeichnete Alex Tremulis die Karosserie, die später von Ray Dietrich noch in Details verbessert wurde. Eigentlich sollte auch ein eigenständiger, von Tucker erdachter Motor ins Fahrzeug kommen, dessen Entwicklung jedoch scheiterte. Stattdessen kaufte Preston Tucker eine Firma für Flugmotoren auf, die einen Leichtmetall-Sechszylinder-Boxermotor mit 5,5 Litern Hubraum und einer Leistung von 123 kW/167 PS herstellten. Dieses Triebwerk verbaute Tucker im Heck des Wagens, um die Front voll und ganz als Knautschzone im Crashfall zu nutzen. Hinzu kamen eine beim Unfall nach außen fallende Frontscheibe, Sicherheitsgurte, ein gepolstertes Armaturenbrett, Scheibenbremsen und ein als Kurvenlicht gedachter dritter Scheinwerfer an der Fahrzeugfront.

Torpedo oder Tin Goose? Tucker 48

Durch seine glatten Formen und das ungewöhnliche Design mit einem cW-Wert von nur 0,27 erhielt der Tucker 48 schnell den Spitznamen Torpedo, den man auch in diversen Werbematerialien nutzte. Als Fahrzeugbezeichnung fand er jedoch ebensowenig Einzug in die offiziellen Papiere wie ‚Tin Goose‘ (Blechgans), wie Preston seinen ersten Prototypen nannte. Vom 5,56 Meter langen, zwei Meter breiten und 1,52 Meter hohen Wagen entstanden letztlich inklusive dem hauseigenen Prototyp nur 51 Exemplare, da die Geschäftsgebaren von Preston Tucker den Behörden zu suspekt waren und sie ihn daher vorsorglich wegen Steuerhinterziehung anzeigten. Möglicherweise hatten dabei auch einige der ‚großen Drei‘ aus Detroit ihre Hände mit im Spiel. Letztlich konnten die Vorwürfe zwar nicht aufrechterhalten werden, der Ruf der Marke Tucker war jedoch nachhaltig zerstört.

So wurde die Tucker Corporation 1950 abgewickelt und Preston Tucker verzog nach Brasilien, wo er erneut an einem innovativen Auto tüftelte. Allerdings verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Er kehrte in die USA zurück, erhielt die Diagnose Lungenkrebs und verstarb letztlich 1956 an einer Lungenentzündung. 47 seiner 51 gefertigten Tucker 48 sind heute noch bekannt. In den 1980er Jahren entstand zudem aus Originalersatzteilen ein 52. Auto, das mit vielen anderen erhaltenen Wagen im Kinofilm ‚Tucker – Ein Mann und sein Traum‘ von Francis Ford Coppola zu sehen ist, der vor exakt 30 Jahren debütierte. Heute stehen einige Tucker in berühmten Automuseen wie dem Petersen Automotive Museum, dem Nethercutt Museum, dem National Automobile Museum oder sogar dem Henry Ford Museum.

Chassis 1046 hat eine interessante Vergangenheit

RM Sotheby’s bietet nun im Rahmen der Monterey Car Week den Tucker 48 mit Chassisnummer 1046 an. Dieses Fahrzeug ist eines der acht letzten Autos, die vom verbliebenen Team zusammengebaut wurden, als Firmengründer Preston Tucker sich vor Gericht verantworten musste. Nachdem der Wagen bei der Insolvenzversteigerung 1950 verkauft wurde, hatte er ein wechselvolles Leben. So gehörte er zeitweise dem Nachtclub-, Rennstrecken- und Hotel-Besitzer Nick Jenin in Fort Lauderdale/Florida, der aufgrund der ungewöhnlichen Ausstrahlungskraft des Tucker in den 50ern bis zu neun dieser Fahrzeuge zeitgleich besaß, die er in seiner Jahrmarktshow ‚The Fabulous Tuckers‘ bis in die 1960er hinein an der Ostküste entlang tingeln ließ. Unverständlicherweise verbaute er in Nummer 1046 einen Oldsmobile-V8 unter der vorderen Haube, um seiner Tochter das Tucker-fahren zu ermöglichen, was jedoch nicht so klappte, wie er sich das vorgestellt hatte. Vor ihrer Schule erzielte sie mit dem Tucker soviel Aufsehen, dass sie abends klarstellte, lieber zu Fuß dorthin zu laufen als weiterhin diesen Wagen zu nutzen. Anschließend diente der Umbau zeitweise als Alltagsauto der Familie Jenin, bis Nick Jenin 1963 seine gesamte Tucker-Sammlung zum Verkauf anbot.

Nummer 1046 verkaufte er an das Ehepaar Janecek in Springfield/Oregon. Hier wanderte die Tucker-Karosserie auf ein Mercury-Fahrgestell von 1964 und erhielt eine goldene Lackierung. John Janecek gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Tucker Automobile Club of America (TACA) und fuhr seinen Wagen zu diversen Treffen in Kalifornien, Kansas und Nevada, wobei er stets auf Achse anreiste. Durch gesundheitliche Probleme verkaufte das Ehepaar den Wagen 2002 an Walter Ready in Prescott/Arizona, der ihn gemeinsam mit dem direkten Schwesterfahrzeug 1047 zeitweise im Gilmore Car Museum ausstellte. 2007 erwarb der heutige Besitzer den Tucker und traf gemeinsam mit den Markenhistorikern Martyn Donaldson und Mark Lieberman die Entscheidung, das Fahrzeug komplett in den Auslieferungszustand zurückzuversetzen. Hierfür setzte man sich mit den Experten von RM Auto Restoration im kanadischen Blenheim in Verbindung, die bereits mehrere Tucker restauriert hatten. Hier wurde ein neues Fahrgestell nachproduziert, indem man die Basis und Karosserieaufnahmen von Chassisnummer 1047 digital einscannte und anschließend per 3D-Wasserschneider passende Bauteile erstellte. Benzintank, Kofferraumboden und Teile der Torsilastic-Aufhängung entstanden auf ähnliche Weise. Zudem gelang es, einen originalen Tucker-Austauschmotor und ein nie genutztes Armaturenbrett für den neu bezogenen Innenraum zu finden. Um die Lackierung im Farbton ‚Maroon‘ so originalgetreu wie möglich zu erstellen, wurden Farbspuren eingescannt, die man unter Dichtungen und an der Innenseite des Handschuhfachdeckels fand. Das fertige Auto ist wunderschön gelungen und sieht wirklich aus, als hätte es gerade erst die Fabrikhallen verlassen. RM Sotheby’s erwartet einen Zuschlagspreis zwischen 1,8 und 2,1 Millionen US-Dollar (rund 1,56 bis 1,82 Millionen Euro).

Bilder: RM Sotheby’s