Rolls-Royce 40/50 hp Silver Ghost

Rolls-Royce Fahrzeuge sind als die „besten Autos der Welt“ bekannt. Doch woher dieser Ausdruck stammt, weiß heutzutage kaum noch jemand. Er geht zurück bis ins Jahr 1907 und beschrieb ursprünglich nur ein einzelnes Auto. Ein Jahr zuvor präsentierte Rolls-Royce die neue Baureihe 40/50 hp mit einem sieben Liter großen Reihensechszylindermotor unter der Haube. Dieser leistete 35 kW/48 PS, die über ein manuelles Dreigang-Getriebe die Hinterräder erreichten. Im Vergleich zu damaligen Wettbewerbsmodellen bot der Rolls-Royce ein viel besseres und komfortables Fahrverhalten. Ein britischer Journalist der Zeitschrift Autocar schuf 1906 daher den Begriff der „Waftability“, der die unangestrengte Art der Bewegung ausdrücken sollte und schnell zur geschützten Wortmarke wurde.

Silberner Lack und Laufruhe führen zum Namen

In unserer Überschrift taucht für den Rolls-Royce 40/50 hp bereits ein Zusatzname auf, den dieses Modell nicht von Anfang an hatte: Silver Ghost. 1907 entstand mit der Fahrgestellnummer 60551 das zwölfte Fahrzeug der Baureihe mit dem kürzeren der beiden bestellbaren Radstände. Bei Barker & Co. in London entstand eine „Semi-Roi des Belges“-Karosserie. Dabei handelt es sich im Grunde um einen offenen Tourenwagen, bei dem die vorderen Sitze niedriger als die hinteren verbaut werden und dadurch vorn auf große Türen verzichtet wurde. Passend zur silbernen Lackierung bestellte Rolls-Royce versilberte Leuchten und Beschläge. Diese waren sonst typischerweise aus Messing angefertigt. Innen verzichtete man auf das bei anderen Luxusfahrzeugen verbaute Teakholz und ließ das Armaturenbrett stattdessen aus Aluminium fertigen. Mit wenigen Handgriffen konnte man die hintere Sitzbank gegen eine Gepäckkiste ersetzen.

Teilnahmen an Ausdauerfahrten

Claude Johnson, damals Verkaufsleiter und Geschäftsführer von Rolls-Royce, bewies sein gutes Gespür für Luxus und Eleganz, als er diesen 40/50 hp als Werksvorführwagen bestellte. Aufgrund der silbernen Farbgebung in Kombination mit dem fast lautlosen Motorlauf gab Rolls-Royce diesem 40/50 hp den Spitznamen „Silver Ghost“. Diesen gravierte man auf eine Metallplakette ein, die unterhalb der Windschutzscheibe angebracht wurde. Auf der Olympia Motor Show in London im November 1906 erregte dieses besondere Fahrzeug erstmals Aufmerksamkeit. Ein Jahr später ging es bei einem Zuverlässigkeitswettbewerb in Schottland an den Start. Direkt im Anschluss fand eine Ausdauertestfahrt über 24.000 Kilometer statt, die unter anderem vorsah, die Strecke von London nach Glasgow 27-mal zu absolvieren. Warum dieser Aufwand? Die Marken C.S. Rolls & Co. und Royce Ltd. bildeten erst seit dem 15. März 1906 eine gemeinsame Automobilfirma. Entsprechend wichtig war positive Werbung, die man damals vor allem durch extreme Zuverlässigkeit der Fahrzeuge erreichte.

Unbekannte Marke erhielt guten Ruf

Bei vielen dieser Ausdauerfahrten setzte Rolls-Royce Journalisten auf die Beifahrersitze, damit diese Erfahrungsberichte schreiben konnten. Besonders beeindruckt waren die Pressevertreter nicht nur von der Zuverlässigkeit, sondern auch von den geringen Wartungskosten des Silver Ghost. Durch die vielen Artikel entwickelte sich für Rolls-Royce der Ruf, die besten Autos der Welt anzufertigen. Der einzigartige Silver Ghost führte schließlich dazu, dass die gesamte Baureihe 40/50 hp diesen Beinamen erhielt. Den Wagen mit der amtlichen Zulassung AX201 verkaufte man indes 1908 an einen britischen Kunden, der damit häufig zu seinem italienischen Ferienhaus fuhr. Vierzig Jahre kaufte Rolls-Royce den Silver Ghost zurück. Franklin Mint, ein Modellautohersteller aus den USA, legte 1984 eine Miniatur des Unikats auf, die sich zum Bestseller entwickelte. 1991 beauftragte Rolls-Royce die Firmen SC Gordon Coachbuilders Luton und P&A Wood mit einer umfangreichen Restaurierung.

Eines der teuersten Autos der Welt

Als die zusammengeschlossenen Firmen Rolls-Royce und Bentley 1998 zwischen BMW und Volkswagen aufgeteilt wurden, ging der Silver Ghost an Bentley. Seither tauchte das silberne Unikat auf keiner öffentlichen Veranstaltung mehr auf. Immerhin sorgte ein Wertgutachten für die Autoversicherung 2005 für Schlagzeilen, das den Rolls-Royce mit 35 Millionen US-Dollar bezifferte. Damit gehört dieser britische Klassiker zu den teuersten Automobilen der Welt. 2020 kaufte Sir Michael Kadoorie aus Hong Kong den Silver Ghost zusammen mit einem weiteren frühen Rolls-Royce. Da beide Fahrzeuge als nationale Heiligtümer eingestuft wurden, müssen sie allerdings innerhalb der britischen Staatsgrenzen verbleiben. Beim Hampton Court Concours of Elegance im September ist dieser besondere Wagen erstmals seit mehr als 20 Jahren öffentlich zu sehen.

Bilder: Concours of Elegance, Tim Scott