Railton F29 Claremont

Kennen Sie den Autodesigner William Towns? Er wurde 1936 in Großbritannien geboren und begann 1954 seine Tätigkeiten im Rootes-Konzern, zu dem damals unter anderem die Marken Humber, Hillman, Singer und Sunbeam gehörten. Neun Jahre später wechselte er zu Rover, wo er unter anderem die Karosserie des Turbinen-betriebenen Rennwagens für Le Mans 1966 gestaltete. Im gleichen Jahr wechselte er zu Aston Martin. Die Autos, die er hier maßgeblich verantwortete, sind heute noch weltweit bekannt. So setzte man ihn ein um den ersten DBS zu zeichnen, nachdem kurz zuvor die italienische Karosseriebaufirma Touring ihre Tore schließen musste, obwohl der DBS-Auftrag dort noch offen war. Auf dieser Basis entstand auch der Aston Martin Lagonda Serie 1, eine viertürige Sportlimousine, von der nur fünf Exemplare gebaut wurden. Das bis heute bekannteste Fahrzeug aus der Feder von Towns ist jedoch zweifelsfrei das Nachfolgemodell, das inzwischen als Lagonda Serie 2 bekannt ist und bis zur Serie 4 mit der selben Grundkarosserie entstand. Parallel zu seiner Arbeit bei Aston Martin gestaltete er 1974 für den Hillclimb-Champion Jim Thomson zwei Jaguar E-Type Roadster zum Guyson E12 um. 1977 machte er sich schließlich mit seinem eigenen Designstudio Interstyl selbstständig, um hauptsächlich Industriedesign als freischaffender Designer anzubieten. Er arbeitete jedoch auch weiterhin in der Autoindustrie, wo er beispielsweise Front und Heck des Jensen-Healey, das Design eines relativ erfolgreichen Kitcars von Hustler oder den Reliant SS2 entwarf. In den späten 1980er Jahren gab es zudem den Plan, eine alte britische Automarke wiederzubeleben.

Und damit müssen wir die Jahreszahl nochmal ein ganzes End zurückdrehen. Reid Anthony Railton machte sich in der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg einen guten Namen in der Rekordfahrzeug-Szene. Unter anderem wirkte er an den Blue Bird Rekordautos von Sir Malcolm Campbell zwischen 1931 und 1935 mit. Sein größter Erfolg kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als ein von ihm entwickelter Wagen mit John Cobb am Steuer eine Rekordgeschwindigkeit von 394,7 mph (635,2 km/h) erreichte. Doch bereits in der Zeit von 1933 bis 1940 entstanden unter seinem Namen auch Straßenfahrzeuge. Hierzu tat er sich mit Noel Macklin zusammen, der kurz zuvor seine Marke Invicta verkauft hatte. Auf Basis von Hudson-Chassis aus den USA fertigte man mit eigenen Karosserien in den Räumlichkeiten der Fairmile Engineering Company in Cobham, Surrey, eigenständige Fahrzeuge. Allerdings entstanden bis 1939 nur rund 1.500 Exemplare, bevor sich Noel Macklin Speed-Booten zuwandte und die Marke an Hudson verkaufte, die in Großbritannien eine zusätzliche Fertigung einrichten wollten. Kriegsbedingt kam es nicht dazu. Nach dem Krieg vervollständigte man aus Restteilen noch einige Autos und stellte 1949 in London sogar ein neues Modell vor, das jedoch drastisch überteuert war und daher keinerlei Interesse fand. Damit endete das erste Kapitel von Railton als Autohersteller.

Zurück zu William Towns und seiner Zeit als freier Designer. Bereits seit der Premiere des Jaguar XJ-S (ab 1981 entfiel der Bindestrich) im Jahr 1975 entwickelte er eine gewisse Schwäche für dieses Modell. Allerdings mochte er am meisten den seidenweichen Lauf des V12-Motors und das hochwertige Interieur. Für das Design hatte er eigene Ideen, die er unter dem Kürzel XJX zu Papier brachte. Da er keinen Geldgeber finden konnte, landeten die Pläne in einer Schublade, wurden jedoch im Laufe der Jahre immer wieder an aktuelle Designtrends angepasst. Als 1977 Reid Railton starb, erkannte Towns die Chance, den Markennamen Railton zu erwerben. Gegen Ende der 1980er Jahre lernte er schließlich John Ransom kennen, der durch den Verkauf von Propangas und LPG zum Millionär aufgestiegen war. Da Ransom auch großer Autofan war, zeigte ihm Towns seine XJX-Zeichnungen und sie kamen überein, dem Projekt unter dem Markennamen der Railton Motor Company eine Chance zu geben. 1989 kaufte man zwei nagelneue Jaguar XJS Cabriolets und ließ bei der Firma Park Sheet Metal, die später auch den Jaguar XJ220 einkleidete, Karosserieteile aus Aluminium fertigen. Das Design geriet dabei sehr flächig ohne Sicken und Konturen sowie im Gegensatz zu vorherigen Towns-Entwürfen mit Rundungen anstelle der klaren Kanten. Bereits im gleichen Jahr debütierte der bordeauxrot lackierte F28 Fairmile auf der Motorfair in London. Zwei Jahre später war schließlich auch der beinahe baugleiche F29 Claremont fertiggestellt, der in unserer Bildergalerie zu sehen ist.

Im Gegensatz zum F28 Fairmile erhielt der F29 Claremont Abdeckungen vor den Hinterrädern und eine andere Rad-Reifen-Kombination. Da in den bereits gedruckten Broschüren für beide Varianten ein Grundpreis von £ 105.000 angegeben war, was etwa dem dreifachen Preis des Jaguar XJS V12 entsprach (in die heutige Zeit übertragen wären es fast 300.000,- €), hielt sich der Kreis der Interessenten in engen Grenzen. Hinzu kam, dass Towns die neuen Karosserieteile zum Teil nicht anstelle der Originalteile verbauen ließ, sondern über diesen, was natürlich das Gewicht nach oben trieb. In einem zeitgenössischen Fahrbericht des britischen Magazins ‚Performance Car‘ konnte der F29 Claremont entsprechend nicht überzeugen. Somit blieb es bei den beiden gebauten Fahrzeugen. 1994 endete auch das zweite Kapitel der Marke Railton. Towns fuhr den Claremont bis zu seinem frühen Tod 1993. Anschließend wurden seine Privatfahrzeuge noch bis Juli 2005 als Sammlung im Heritage Motor Center in Gaydon ausgestellt, ehe sie versteigert wurden. Nun ließ der Zweitbesitzer, ein Autosammler aus Großbritannien, den Railton F29 Claremont erneut durch Silverstone Auctions versteigern und erzielte dabei einen Zuschlagspreis von £ 60.000. Damit ist der Wagen rund doppelt soviel wert wie ein vergleichbares Jaguar XJS Cabriolet.

Bilder: Silverstone Auctions