Matra MS 670

Die Oldtimermesse Retromobile in Paris ist immer wieder für Superlative bekannt. Obwohl die nächste Ausgabe erst im Februar 2021 stattfinden soll und dank der noch immer anhaltenden Corona-Pandemie durchaus noch nicht klar ist, ob diese Pläne überhaupt durchgeführt werden können, kündigte das ebenfalls in Paris ansässige Auktionshaus Artcurial bereits jetzt ein absolutes Highlight für die jährlich dort stattfindende Versteigerung an. Immer, wenn ein französisches Auto mit französischem Fahrer hinter dem Steuer das legendäre Langstreckenrennen zweimal rund um die Uhr in Le Mans gewinnen kann, gilt dieses Fahrzeug anschließend als Kulturgut. Entsprechend selten kommen derartige Rennwagen jemals in den freien Verkauf oder zu Auktionen. Artcurial bringt den Matra MS 670 unter den Hammer, der 1972 als Erstplatzierter die Ziellinie der 24 Stunden von Le Mans überquerte.

Neuentwicklung für Sportwagen-WM ’72

Für die Sportwagen-Weltmeisterschaft der Saison 1972 hatte die FIA neue Regularien erlassen, die vor allem eine Reduzierung des maximalen Hubraums von fünf auf drei Liter vorsahen. Damit rollten Porsche 917, Ferrari 512 S und ähnliche Wagen direkt ins Depot. Gleichzeitig rückten Prototypen kleinerer Hersteller wie Matra plötzlich nach vorne und erhielten Gesamtsiegchancen. Bereits 1968 hatte im Matra MS 11 in der Formel 1 ein drei Liter großes V12-Triebwerk debütiert, das nun in den neu entwickelten offenen Sportwagenprototyp MS 670 übertragen werden konnte. Dieser traf auf relativ wenig Konkurrenz, da Ferrari für 1972 kein neues Auto entwickelte und den favorisierten 312 PB kurz vor dem Rennen aufgrund von Zuverlässigkeitsproblemen zurückzog, Porsche seinen Kundenteams nur den bereits in die Jahre gekommenen 908 anbieten konnte und der ebenfalls neue Alfa Romeo Tipo 33 technisch noch nicht ausgereift war.

Dennoch gehört immer noch eine gute Portion Glück dazu, um selbst ein überlegenes Rennfahrzeug unbeschädigt über die Distanz zu bringen, wie in jüngerer Vergangenheit Toyota lernen musste. Am Rennkurs in Le Mans gab es einige Anpassungen im Vergleich zu den Vorjahren, wodurch im Abschnitt Maison Blanche vier neue schnelle Kurven entstanden, die in Anerkennung der Porsche-Erfolge in den vorangegangenen beiden Rennen den Namen ‚Porsche-Kurven‘ erhielten. Matra ging mit vier Autos ins Rennen, musste jedoch einen Wagen direkt nach der ersten Runde abschreiben. Anfänglich übernahm der Schwede Joakim Bonnier in einem Lola T280 die Führung, wurde jedoch nach der ersten Rennstunde von den restlichen Matras überholt. Jo Bonnier kam morgens gegen 8:00 Uhr bei einem Unfall ums Leben, nachdem er bei einem Überrundungsmanöver die Reaktionen des Schweizer Privatfahrers Florian Vetsch in einem Ferrari 365 GTB/4 falsch gedeutet hatte. Rund 50 Runden später musste Matra die Hoffnung auf einen Dreifacherfolg aufgeben, als der ein Jahr alte MS 660C ausfiel. Die verbliebenen beiden Wagen erreichten die Ziellinie auf den Plätzen eins und zwei, wobei das zweitplatzierte Auto elf Runden Rückstand hatte. Im Siegerauto saßen Henri Pescarolo und Graham Hill. Matra setzte den MS 670 im Folgejahr noch einmal in Le Mans ein.

Siegerauto wird versteigert

Nun soll das damalige Siegerauto also unter den Hammer kommen. Hervé Poulain, der Leiter von Artcurial, und sein Team erwarten dabei einen Zuschlagspreis zwischen 4.000.000 und 7.500.000 €. Bisher stand dieser Wagen mit Fahrgestellnummer 001 als Dauerleihgabe im Musée Matra in Romorantin, gehörte jedoch der Lagardère Group. Thierry Funck-Brentano, mitgeschäftsführender Partner der Lagardère Group, kommentiert die Verkaufsentscheidung wie folgt: „Unsere wunderbaren Erinnerungen an die Rolle der Matra in der Geschichte des Motorsports sind keine Entschädigung für die Verpflichtung der Lagardère Group, die Konsequenzen eines ungünstigen Gerichtsurteils vom Januar 2020 in einem Sozialrechtsfall im Zusammenhang mit Matra Automobile zu tragen, 18 Jahre nachdem diese Firma geschlossen wurde. Daher erfolgt nun die Entscheidung, den Le-Mans-Siegerwagen von 1972 in völliger Transparenz versteigern zu lassen.“

Bilder: Artcurial, Matra Automobile (Bilder 1 und 2), Paris Match (Bild 3)