Isdera Commendatore 112i

UPDATE: Am Ende dieses Berichtes haben wir einen offenen Brief von Isdera-Gründer Eberhard Schulz angehängt.

Die Geschichte der Kleinserienmarke Isdera (Ingenieurbüro für Styling, Design und Racing) geht letztlich zurück bis ins Jahr 1969. Damals montierte Firmengründer Eberhard Schulz sein Erstlingswerk, den Sportwagen Erator, und fuhr damit zum Vorstellungsgespräch bei Porsche. Neun Jahre später präsentierte Schulz gemeinsam mit B&B Automobiltechnik aus Frankfurt die Konzeptstudie CW311 als angedachtes Nachfolgermodell für den nie in Serie produzierten Mercedes-Benz C 111. Nachdem die Kooperation mit B&B auseinandergegangen war, gründete Eberhard Schulz 1982 sein eigenes Ingenieurbüro und begann ein Jahr später die Fertigung des Spyder mit Design-Anleihen beim CW311. Nochmals dichter an dieser Studie war ab 1984 der Isdera Imperator 108i, der ebenfalls in Kleinserie ging. Anschließend dauerte es bis 1993, ehe Isdera erneut ein neues Modell zeigte. Auf der IAA in Frankfurt debütierte der Commendatore 112i mit einem sechs Liter großen V12-Triebwerk aus der damals aktuellen Mercedes-Benz S-Klasse.

Geplant war auch hier ursprünglich eine Kleinserie und nicht wenige Sportwagenfans hätten eine solche wohl auch gutgeheißen. Allerdings ging es Isdera finanziell nicht besonders gut und es blieb beim Unikat. Dieses hat es aber im wahrsten Wortsinn faustdick unter der Karosserie. Direkt hinter den beiden Passagieren sitzt das Triebwerk unter zwei längs angebrachten und zur Mitte hin öffnenden Motorhauben, die ein wenig an den De Tomaso Mangusta erinnern. Allerdings hatte dieser Sportwagen aus den 1960er Jahren keine Flügeltüren im Stil des legendären Mercedes-Benz 300 SL, wie sie der Isdera zeigt. Der Zwölfzylindermotor leistet 408 PS und beschleunigt die flache und runde Flunder in 4,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Dank des manuellen Sechsgang-Getriebes von Getrag erreicht der Commendatore zudem bis zu 342 km/h Höchstgeschwindigkeit. Als Leergewicht stehen 1.480 Kilogramm im Datenblatt. Vorn kommen Räder in 18 Zoll Größe mit 255/35er Reifen zum Einsatz, hinten sind es 295/35er auf 19 Zoll großen Felgen. Das Einzelstück verkaufte man in den Folgejahren an einen Autosammler in der Schweiz.

Erstaunlicherweise ließ der neue Besitzer einige Veränderungen am Commendatore durchführen. So tauschte er die originalen, zweiteiligen BBS-Räder gegen Felgen mit je fünf Doppelspeichen aus und ließ den originalen Dach-Periskopspiegel gegen zwei konventionelle Außenspiegel auf den vorderen Kotflügeln austauschen. Zeitweise prangten zudem Logos von Mercedes-Benz auf der Karosserie. Im Laufe der Zeit folgte ein Besitzerwechsel innerhalb der Schweiz. Seit Anfang 2017 befindet sich der Commendatore 112i wieder in Deutschland und wurde auf den Präsentationsstand der IAA 1993 restauriert. In dieser Optik kennen auch langjährige Computerspiel-Fans den Wagen, da man ihn ab 1997 in ‚Need for Speed 2‘ sowohl auf dem PC als auch auf der Sony PlayStation fahren konnte.

Damit könnte man nun die Geschichte des Isdera Commendatore 112i beenden. Allerdings würde man damit einen wichtigen Teil außer acht lassen: Es gibt nicht nur einen Wagen. Bereits 1993 existierte ein zweiter Gitterrohrrahmen, der von Isdera behalten und als Deko-Objekt unter der Decke des Hauptsitzes aufgehängt wurde. Dort hing der Rahmen bis vor rund zehn Jahren, als ein Markenfan und Besitzer eines Isdera Spyder und eines Imperator bei Eberhard Schulz darum bat, dieses Auto vervollständigen zu dürfen. Nach einigen Verhandlungen wurde man sich einig und der aufwändige Aufbau begann. Im Gegensatz zu anderen Vorhaben, die in großen Industriehallen mit einem entsprechenden Team ablaufen, führte dieser Enthusiast fast alle Arbeiten daheim in seiner Doppelgarage durch. Für die Karosserie durfte er die originalen Formen benutzen. So leicht wurde es ihm jedoch bei anderen Komponenten nicht gemacht. Ein passendes Schaltgetriebe musste er sogar speziell anfertigen lassen, da der 600 SE/S 600 (W140) damals ab Werk ausschließlich mit Automatikgetriebe erhältlich war.

Wie bereits die Anfertigung des ersten Commendatore dauerte auch der Aufbau des zweiten Wagens volle sechs Jahre. Damit erklärt sich auch ein Detail, das speziell deutschen Autofans wohl schnell ins Auge sticht: das H-Kennzeichen. Beide Rohrrahmen stammen aus dem Jahr 1987 und sind damit inzwischen 32 Jahre alt. Dennoch gibt es bei diesem Punkt eine Kontroverse, die im offenen Brief weiter unten angesprochen wird. Für die darüber liegende Karosserie des neu aufgebauten Autos entschied sich der Besitzer für den Farbton ‚Hellelfenbein‘, der in Deutschland sonst üblicherweise Taxen und als Sonderfarbe manchen Porsche ziert. Einen weiteren Unterschied zum Eissilber lackierten Original findet man unterhalb der Türen, wo die Endrohre der Abgasanlage als Sidepipes nach außen treten. Innen kommt hellgraues Leder mit passend abgestimmtem Teppich zum Einsatz. Im Vergleich zum Ur-Fahrzeug fällt auf, dass die Gestaltung des Armaturenbretts anders gewählt wurde. Trotzdem bietet der Innenraum Menschen über 1,80 Meter Körpergröße nur wenig Platz.

Ursprünglich plante Isdera den Commendatore 112i als sportlichen GT, womit sich auch die Wahl des vergleichsweise leisen V12-Triebwerks erklären lässt. Man kann nur versuchen zu erahnen, welchen Einfluss man mit diesem Auto auf dem Sportwagenmarkt der mittleren 90er hätte haben können, wenn die finanzielle Grundlage und ein weltweites Händlernetz bestanden hätten. So bleibt der Commendatore für die meisten Sportwagenfans ein unerreichbarer Traum, den sie zum überwiegenden Teil noch nie gesehen haben. Eine gute Chance, dieser Flunder doch einmal live zu begegnen, ist der jährliche Oldtimer Grand Prix am Nürburgring. Mit ein wenig Glück stehen dort sogar in den kommenden Jahren beide Exemplare nebeneinander.

Offener Brief von Eberhard Schulz:
„Saarwellingen, den 18.09.2019

In den letzten Monaten wurden Berichte über ein Fahrzeug mit dem Nummernschild ES-UK 112 H erstellt. Diese Berichte deuten darauf hin, dass dieses Fahrzeug ein zweiter ISDERA Commendatore 112i ist. Ich möchte die Situation klären und Ihnen einen kleinen Hintergrund geben. Es gibt nur einen Commendatore 112i. Dieses Auto wurde auf der IAA 1993 vorgestellt und dann mit dem Kennzeichen BB-CW 112 fotografiert.
1999 wurde der Wagen an einen Kunden verkauft und bei der zuständigen Behörde mit dem Kennzeichen AIC-R 122 zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt benötigte der entsprechende Kunde bereits einige Anpassungen wie die beiden Außenspiegel an den vorderen Kotflügeln, etc. Das Auto wurde dann in die Schweiz verkauft und dort mit dem Kennzeichen SG 1809 registriert. Im Jahr 2016 wurde der Wagen durch die Sinfonia Automotive AG (jetzt ISDERA AG) erworben und das Unternehmen entschied sich, den Wagen wieder in seinem ursprünglichen Aussehen einschließlich Periskopspiegel, Originallackierung, originaler Felgen, etc. zu restaurieren, wofür man mit dem Team von ISDERA CLASSIC rund um Florian Ulbricht in Hildesheim und mir selbst zusammenarbeitete.
Nach Abschluss der Restaurierung wurde das Fahrzeug mit dem Kennzeichen SLS-CW 112 zu Ehren des Kennzeichens bei der IAA 1993 zugelassen und ist weiterhin im Besitz der ISDERA AG.
Ich bin sehr dankbar, dass diese Bemühungen vom Management der ISDERA AG unternommen wurden, um sicherzustellen, dass dieses legendäre Auto noch auf der Straße zu sehen ist und Kunden bei bestimmten Veranstaltungen gezeigt werden kann.
Zum Zeitpunkt, als der Commendatore 112i gebaut wurde, arbeiteten wir an einem zweiten Exemplar, konnten aber lediglich Teile des Rahmens fertig stellen, bevor wir das Projekt stoppen mussten. Vor einigen Jahren wurde ich dann von einem Besitzer von mehreren Isdera-Fahrzeugen angesprochen, der diesen halbfertigen Rahmen verwenden wollte, um einen zweiten Commendatore mit dem Wissen zu bauen, dass dieser voraussichtlich nicht straßenzulassungsfähig sein würde. Natürlich war ich sehr begeistert von dieser Gelegenheit und vereinbarte, den Prozess zu unterstützen und zudem Werkzeuge und Formen aus meinem Privatbesitz zur Verfügung zu stellen. Bereits früh innerhalb dieses Projektes teilte mir der Besitzer mit, dass seiner Meinung nach grundlegende Änderungen vorgenommen werden müssen, da aus seiner Sicht viele Dinge besser gemacht werden könnten. Ich hatte den Eindruck, dass der Besitzer im Prinzip beabsichtigte, sein eigenes Auto zu bauen, aber die Marke Isdera zu benutzen, um die Straßenzulassung des Wagens irgendwie hinzubekommen.
Daher habe ich den Besitzer informiert, dass ich seine Bemühungen nicht weiter unterstützen werde und dass ich mit seiner Absicht nicht einverstanden bin. Ein solches Auto wird zur Legende, weil es mit bestimmten Einschränkungen hergestellt wurde, ob es nun Zeit oder Geld ist oder technische Einschränkungen aufgrund der beabsichtigten Leistung, etc.
Das Ergebnis der Arbeit des Eigentümers ist, dass das Fahrzeug wie ein Commendatore aussieht, aber nie von mir genehmigt wurde und insbesondere nicht von Isdera oder in Zusammenarbeit mit Isdera gebaut wurde. Doch auch vor diesem Hintergrund bot das Management der ISDERA AG dem Eigentümer an, das Fahrzeug gemeinsam zu kommunizieren, um die Bemühungen des Eigentümers, den Wagen in der eigenen Garage gebaut zu haben, zu honorieren und Missverständnisse über den Hintergrund des Autos zu vermeiden. Der Eigentümer lehnte dieses Angebot sofort ab und bestand darauf, dass er den zweiten Commendator 112i gebaut habe und versuchte sogar, das Management von Isdera davon zu überzeugen, dass er den besseren Commendatore 112 gebaut hat. Natürlich sind das Management von Isdera und ich zu dem Schluss gekommen, dass dies der falsche Weg ist und haben die Kommunikation mit dem Eigentümer eingestellt.
Da der Rohrrahmen natürlich keine Fahrgestellnummer trug, benutzte der Eigentümer das Fahrzeugkennzeichen eines Imperator 108i, der zunächst mit der Fahrgestellnummer W09108215JWJ02015 zugelassen wurde, bevor diese Fahrgestellnummer auf den Neuwagen übertragen wurde um diesen zuzulassen. Da der ursprüngliche Imperator 108i am 10. November 1988 erstzugelassen wurde, erhielt der Eigentümer ein ‚H‘-Kennzeichen, das für historische Fahrzeuge über 30 Jahre gilt.
Das Auto mit dem Kennzeichen ES-UK 112 H wurde nie von Isdera gebaut, noch ist es ein restaurierter Imperator 108i, wie es das Kennzeichen impliziert.
Das Management von Isdera und ich selbst unternehmen alle notwendigen Schritte, damit dieses Fahrzeug von der Straße kommt. Es gab, gibt und wird leider immer nur einen Commendatore 112i geben. Ich hoffe aufrichtig, dass dieses Problem bald gelöst wird und dass eine solche Behandlung des Erbes der Marke Isdera bald von den Behörden gestoppt wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

Inzwischen wurde der silberne Commendatore 112i über das Auktionshaus RM Sotheby’s versteigert.

Bilder: Kaare Byberg – Core of Cars, Matthias Kierse