Beradino – Traum zu verkaufen

Vor sechs Jahren erfuhr ich erstmals von einem Eigenbau-Sportwagen aus Deutschland, dessen Ausführung und Design seines Gleichen sucht. Der rührige Erbauer Johannes P. Paulussen erzählt die Geschichte seines ‚Beradino‘ in so farbigen Worten, dass man beinahe glaubt, man wäre live bei den Planungen und dem Aufbau dabei. Diese Arbeiten fanden allerdings bereits ab den 1960ern statt. Als 17-jähriger träumte Herr Paulussen 1961 von den Supersportwagen der damaligen Zeit, konnte sich als Sohn eines selbstständigen Schreinermeisters aber derartige Autos nicht leisten. Ab 1966 befand er sich im Studium der Fahrzeugtechnik und stellte dabei fest, dass er sich den Traum vom Sportwagen möglicherweise selbst ermöglichen konnte. Dies hatte ihm sein Vater bereits Jahre zuvor prognostiziert: „So einen Wagen kannst Du doch nie bezahlen! Wenn Du unbedingt so ein Ding haben willst, dann musst Du ihn Dir schon selber bauen!“ Nach vielen Zeichnungen und Entwürfen, die sich zum Teil am Ferrari 275 GTB und an der niedrigen Höhe des Ford GT40 orientierten, standen schließlich Formen und Abmessungen seines Traumautos fest.

In enger Abstimmung mit einem lokalen TÜV-Mitarbeiter entstanden erst die Bodenplatte und dann nach und nach das restliche Fahrzeug, beginnend bei den Radkästen, der Mittelkonsole und dem Armaturenbrett. Für die Karosserie fertigte Johannes P. Paulussen zuerst ein Modell im Maßstab 1:10 aus Gips an. Nachdem hier alle Rundungen und Kanten stimmten, baute er sich eine Positivform im Originalmaßstab aus Holzspanten und Gips auf, von der er die Negativform aus glasfaserverstärktem Kunststoff abnehmen konnte. Diese schliff er von innen glatt und nutzte sie zur Herstellung der einzelnen Karosserieteile, die ebenfalls aus GfK bestehen. In dieser Zeit des Karosseriebaus ließ er sein Studium an der TH Aachen ruhen. Kein Wunder, bei 16-stündigen Arbeitstagen war wenig Zeit zum Lernen. Aus der Rohkarosserie mussten anschließend die Fensteröffnungen ausgesägt werden.

Anschließend erfolgte der langwierige Prozess des Zusammenbaus. Hierfür hatte Herr Paulussen einen zwei Liter großen Porsche-Sechszylinder-Boxermotor mit 110 PS aus einem verunfallten frühen 911 gekauft und eigens eine Abgasanlage mit zwei Endrohren angefertigt. Dieses Triebwerk sitzt wie beim 911 im Heck, während unter der riesigen vorderen Haube neben einem 110 Liter großen Kofferraum auch das 15 Zoll große Falt-Ersatzrad und der 45 Liter fassende Kraftstofftank untergekommen sind. Innen kommt eine Kombination aus schwarzem und braunem Leder zum Einsatz, während in der Mittelkonsole Rundinstrumente aus einem Iso Rivolta arbeiten, die günstig bei einem Düsseldorfer Autohändler erhältlich waren.

Da die gesamten Arbeiten in enger Kooperation mit dem TÜV verliefen, stand einer offiziellen Straßenzulassung am Ende des Aufbaus im Jahr 1975 nichts im Wege. Anfänglich lief der Wagen auf dem Kennzeichen ERK-X1, später dann auf HS-U5 und inzwischen seit einigen Jahren auf NE-U9, was aufgrund des Alters des Sportwagens sogar bereits ein zusätzliches H am Ende tragen darf. Durch vermehrten Ölverlust verschwand der ‚Beradino‘ getaufte rote Sportwagen jedoch nach wenig mehr als 8.500 gefahrenen Kilometern 1992 in der Garage seines Erbauers. Dieser war beruflich stark eingespannt und kam erst 2009 wieder dazu, sich näher mit dem Auto zu beschäftigen. Nachdem er die Hinterlassenschaften diverser Maus-Familien aus der Mittelkonsole entfernt hatte, kümmerte er sich um eine gründliche Renovierung des Beradino inklusive neuer Beleuchtung und erstmalig auch einer Lackierung. Bis dahin hatte das Auto nur durchgefärbten Kunststoff gezeigt. An dieser Stelle muss ein wichtiges Detail erwähnt werden: Beradino ist zwar ein Unikat, aber das dreifach. Das Dach lässt sich gemeinsam mit dem verglasten Schrägheck-Deckel abnehmen. Anstelle dessen lässt sich ein flacher Deckel montieren, der den Wagen zum Stufenheck macht – wahlweise als Coupé oder Cabrio. Für letzteres entstand während der Restaurierung ein Acrylglas-Windschott und für das Triebwerk ein einzigartiges Service-Panel, durch das sich vom Motorraum aus alle wichtigen Funktionen überprüfen lassen, ohne dafür ständig zwischen Cockpit und Heck hin- und herlaufen zu müssen. Zeitweise trug der Wagen große Rückspiegel mit integrierten Seitenblinkern und Tagfahr-LEDs, wurde aber wieder auf den klassischen Look zurückgerüstet, als auf Oldtimerveranstaltungen negative Kommentare aufkamen. In unserer Bildergalerie sind ein paar ‚Evolutionsstufen‘ zu sehen.

Wie beschrieben begleite ich das Projekt nun bereits seit 2012 und freue mich über jede Begegnung mit Auto und Erbauer. Umso überraschter nahm ich im Rahmen der Essen Motor Show nun zur Kenntnis, dass das gesamte Projekt Beradino offiziell zum Verkauf angeboten wird. Diesen Schritt geht Johannes P. Paulussen jedoch ganz bewusst. Er ist inzwischen 74 Jahre alt und möchte seinen Traum in gute, verantwortungsvolle Hände weitergeben, solange er selbst das noch entscheiden und auch die Ideen hinter dem Projekt noch erzählen kann. Immerhin ist der Beradino ein ‚Living Project‘ bis zum heutigen Tag, an dem Herr Paulussen hinter den Kulissen weiterentwickelt hat. Zeichnungen, 1:10-Modell und Formen existieren noch, ebenso wie Ideen für eine Elektrifizierung des Sportwagens. Eigentlich schwebt ihm eine Kleinserienfertigung vor, doch fehlten ihm selbst dazu die Mittel.

Möglicherweise liest gerade in diesem Moment jedoch jemand diese Zeilen, der/die sich eine Fertigung des Beradino vorstellen und leisten könnte. Oder aber jemand, der diesen faszinierenden Sportwagen als Aushängeschild für seine Firma erwerben möchte.

Bilder: Matthias Kierse