Automotive Art 15 – Ferrari 250 GTO

Das Unternehmen von Bill Pack heißt ‚V12 Enterprises‘. Der Grund dafür ist das Auto im heutigen Automotive Art Feature, der Ferrari 250 GTO.

Herzlich willkommen zu einem neuen Teil unserer monatlichen Automotive Art Sektion mit Fotograf und Lichtkünstler Bill Pack. Er rückt das Design von Oldtimern in besonderem Maße in Szene und erklärt seine Interpretation der Styling-Ideen mit einigen interessanten Bildern, die er in seinem eigenen Stil aufgenommen hat. Auf zwei Raritäten des US-Rennsports folgt nun das wohl legendärste Rennauto aus Maranello, der Ferrari 250 GTO.

In den Kopf des Designers – von Bill Pack

Es ist einfach, viele Fakten und Informationen über jeden Automobil-Designer zu erfahren. So lässt sich schnell herausfinden, für welche Firmen sie im Laufe der Zeit gearbeitet haben, welche Automodelle sie entworfen haben und welche Innovationen sie in die Branche gebracht haben. Wir wissen also viel von ihnen, aber wir kennen sie nicht. Mit meinen Bildern versuche ich, in die Seele und den Geist des jeweiligen Designers zu gelangen. Ich konzentriere mich auf bestimmte Teile des Autos und verwende meine Beleuchtungstechnik, um die emotionalen Linienführungen des Designers hervorzuheben.

Ferrari 250 GTO – Gezeichnet von Eric Broadley

Ein Fest in Bewegung – Ich hatte das seltene Privileg, vom Phoenix Art Museum den Auftrag zu erhalten, durch die Vereinigten Staaten zu reisen und meine Automobilkunst-Bilder für die Ausstellung „Legends of Speed“ zu erschaffen. Diese Ausstellung läuft bis zum 15. März 2020 und zeigt 22 ikonische Rennwagen aus den Jahren 1911 bis 1978.

Jedes dieser Autos wurde in bedeutenden Rennen von ikonischen Fahrern gefahren. Von Sir Stirling Moss bis Dan Gurney und Mario Andretti, von Le Mans und Indianapolis 500 bis zum Grand Prix von Italien und vielen anderen. Die Rennsporthistorie ist reich an Geschichten.

Mein Teil dieser Geschichte war eine zwölftausend Meilen lange Gran Turismo, die mich in alle vier Ecken der Vereinigten Staaten und in einige der begehrenswertesten und bedeutendsten Privatsammlungen der Welt führte.

Eines dieser Ziele lag in einem westlichen Bundesstaat, wo ich einen Tag mit der Kreation von Sergio Scaglietti verbringen durfte, dem Ferrari 250 GTO.

Sergio war das jüngste von sechs Kindern, die Ernesto und seine Frau Gentilina bis 1920 in der Nähe von Modena in Norditalien geboren wurden. Als Sergio 13 Jahre alt war, starb sein Vater und er brach die Schule ab. Sein Vater und vier seiner Brüder waren Schreiner, aber Sergios Wunsch war es, mit Metall zu arbeiten. Mit der Hilfe eines seiner Brüder wurde er als Lehrling bei einer Firma angenommen, die Reparaturen an Lastwagen durchführte. Dort lernte er bald die Techniken des Blechhämmerns anhand von Motorhauben. Diese frühen Erfahrungen führten schließlich zu einigen der wichtigsten und wertvollsten Formen, die in der Automobilgeschichte gehämmert wurden.

Ein Schmutzfänger und eine Kopfstütze, zwei kleine Elemente an einem Auto, waren jene Teile, die Sergio in die Stratosphäre des Automobildesigns katapultierten. Sergios Geschick wurde von Enzo Ferrari entdeckt, als dieser Sergio mit der Reparatur eines Schmutzfängers an einem seiner Rennwagen beauftragte. Dies führte über weitere Reparaturaufträgen von Ferrari zu komplexeren Arbeiten.

Dieser bescheidene Anfang führte dann zur Zusammenarbeit mit Dino Ferrari, der die Kopfstütze für einen 4,5-Liter-V12-Rennwagen bei Sergio in Auftrag gab. Zwischen den beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis zu Dinos Tod im Jahr 1966 anhielt. Durch diese Freundschaft wurde Sergio de facto ein Mitglied der Familie, was bis zu Sergios Lebensende Bestand hatte.

Diese Beziehung zu Ferrari ermöglichte es Sergio, das zu erschaffen, was er in seinem Kopf sah und was er sah, war Geschwindigkeit und Schönheit. Seine Visionen waren intensiv leidenschaftlich und rein. Er arbeitete jeden Entwurf aus und brachte dabei seinen guten Geschmack und sein Verständnis von Aerodynamik, Stil und Funktion ein. Dies waren die wichtigsten Kräfte seines Designs.

Anstatt nach Papier und Bleistift zu greifen, griff er zu einem Hammer, um seine Entwürfe in Aluminiumplatten über Sandsächen zu hämmern. Mit „den Augen allein“ formte er die Geschwindigkeit und Schönheit, die er vor seinem geistigen Auge sah.

Leslie Kendall, Kuratorin des Petersen Automotive Museum in Los Angeles, sagte in einem Interview, dass Sergio „nicht nur die Schönheit von Ferrari verkörperte, sondern auch extreme Schönheit, sie waren nicht nur tief geduckt, sie waren unfassbar tief geduckt. Sie waren nicht nur sexy,“ sagte er, „sie waren unglaublich sexy“.

In gewisser Weise „kleidete“ er seine Maschinen mit Geschwindigkeit und Schönheit ein, weshalb er als „der moderne Michelangelo der italienischen Automobilindustrie – ein Bildhauer, dessen Medium Metall war“ angesehen wird. Er wurde als Ferrari „Maestro des Aluminiums“ bekannt, sagt Rees Shapiro.

Als ich meine Reise in die Automobilkunst begann, waren es die Nachkriegs-V12-Sportwagen, die meine Aufmerksamkeit erregten. Das Design und die Kunst von Sergio Scaglietti stehen hinter dem Namen meines Unternehmens. Wenn Sie meine Bilder erforschen, entdecken Sie die zerklüfteten Formen und Linien von Sergio Scaglietti, die den Geschmack und Stil neu definiert haben.

Ferrari 250 GTO – Details – von Matthias Kierse

Was schreibt man zum Ferrari 250 GTO, das nicht schon hundert- oder sogar tausendmal irgendwo im Internet oder in Fachbüchern zu lesen steht? Eigentlich gibt es da wohl nichts mehr. Dieser Sportwagen, der ganz nach dem Geschmack von Enzo Ferrari hauptsächlich für den Rennsport entstand und nur durch bestimmte Regularien eine Straßenzulassung erhalten musste, gilt unter Autosammlern als Krönung der Kollektion. Weltweit können allerdings lediglich 36 Menschen diese Anforderung erfüllen, wobei man formtechnisch auch die drei 330 GTO noch mit einrechnen kann. Mehr Exemplare fertigte Ferrari zwischen 1962 und 1964 nicht an. Schlimmer noch, im finalen Baujahr gestaltete man eine neue Karosserie, baute vier zuvor gebaute Fahrzeuge um und stattete die letzten drei Fahrgestelle mit dieser heute unbeliebteren Form aus. Weltweit gibt es inzwischen jedoch eine Vielzahl von Repliken des GTO (auch mit der Serie-2-Karosserie), entweder basierend auf Ferrari-Komponenten oder sogar auf anderen Chassis wie dem des Datsun 260Z.

Viele Fans werden es vermutlich längst wissen, die restlichen lernen nun dazu: Die Bezeichnung 250 GTO leitet sich vom aufgerundeten Hubraum der einzelnen Zylinder des Triebwerks sowie der Abkürzung für die Wortkombination ‚Gran Turismo Omologato‘ ab. Zu Homologationszwecken mussten Hersteller, die in der damaligen Sportwagen-Weltmeisterschaft antreten wollten, ihre Fahrzeuge sowohl straßentauglich gestalten als auch an Privatkunden anbieten. Einige Exemplare durchliefen tatsächlich das Leben eines gewöhnlichen Gebrauchtwagens nachdem die aktive Rennsportlaufbahn beendet war. Es gibt Bilder eines 250 GTO, der jahrelang in einem Feld in den USA auf bessere Zeiten wartete. Kaum vorstellbar, wenn man sich die heutige Wertentwicklung vor Augen führt. 2012 erzielten zwei Exemplare jeweils Verkaufspreise über 30 Millionen US-Dollar. Im Folgejahr waren es bereits über 50 Millionen und 2018 verkündeten verschiedene Quellen einen Privatverkauf eines 250 GTO für mehr als 70 Millionen US-Dollar. Damit gehört dieser Rennsportwagen zu den teuersten Automobilen aller Zeiten, vermutlich nur zu überbieten wenn jemals ein Bugatti Typ 41 Royale oder Typ 57 SC Atlantic auf den Markt kommen sollte.

Das drei Liter große V12-Triebwerk stammte im Grunde aus dem 250 Testa Rossa. Im GTO leistete es 300 PS und machte das zweisitzige Coupé bis zu 280 km/h schnell. Ein synchronisiertes Fünfgang-Getriebe übertrug die Kraft auf die Hinterräder. Rennfahrer wie Innes Ireland erzielten mit verschiedenen 250 GTO Rennerfolge bei den 12 Stunden von Sebring, dem 1000-Kilometer-Rennen in Spa-Francorchamps, in Le Mans, bei der Targa Florio und diversen kleineren Rennveranstaltungen. Dabei ersetzte er den 250 GT SWB. Als die Erfolgskurve langsam abzuflachen drohte, legte Ferrari mit dem 250 LM nach, der durch seinen Mittelmotor weit vom bisherigen 250-Modell abwich. Streng genommen waren jedoch bereits die Veränderungen, die man am Rahmen des 250 GTO im Vergleich zu den normalen 250-Straßenmodellen vorgenommen hatte, weitreichender als es das Reglement gestattete. Heute interessiert das aufgrund von Geschichte, Geschwindigkeit und Schönheit niemanden mehr.

Bilder: © by Bill Pack