Alfa Romeo Tipo 33 TT 12

1967 stieg Alfa Romeo nach langer Abstinenz wieder in den Motorsport ein. Hierfür entstand in der neu gegründeten Motorsportabteilung Autodelta unter Leitung von Carlo Chiti der Tipo 33 mit Mittelmotorkonzept. Da anfänglich noch nicht klar war, ob man den Wagen in der Sportwagen- oder der Prototypenklasse antreten lassen würde, entstand zu Homologationszwecken auch eine Straßenversion, die auf dem Turiner Autosalon 1967 debütierte. 18 Straßen-Fahrgestelle wurden produziert, von denen nachweislich acht bei der Firma Marazzi eine von Franco Scaglione gestaltete Karosserie erhielten. Fünf weitere gingen an externe Designfirmen wie Pininfarina, Italdesign Giugiaro und Bertone, wo sie zu Sportwagen-Unikaten aufgebaut wurden. Der Verbleib der restlichen fünf Chassis ist nicht abschließend geklärt. Wie bei den frühen Rennfahrzeugen Tipo 33/2 und dessen Nachfolger Tipo 33/3 von 1969 waren auch die Chassis für den 33 Stradale als H-förmige Zentralstruktur aus zwei Aluminium-Halbschalen zusammengenietet, an die vorn und hinten speziell gegossene Strukturen aus der Leichtmetalllegierung Elektron angenietet wurden. Während die vordere, käfigartige Struktur den Fahrerfußraum darstellte und zugleich die Vorderradaufhängungsanker bildete, gab es hinten zwei Kegel-förmige Gussteile auf beiden Seiten des Motors, die dahinter in einer Schottwand mündeten. Ende 1970 präsentierte Alfa Romeo mit dem Tipo 33 TT eine neue Entwicklungsstufe für das Folgejahr. TT stand dabei für ‚Telaio Tubulare‘, was wörtlich übersetzt ‚Fahrgestell rohrförmig‘ bedeutet und damit auf einen Gitterrohrrahmen hinwies. Als Abschluss der Baureihe folgte 1976 noch der Tipo 33 SC 12, dessen Buchstabenkürzel für ‚Scatola‘, zu deutsch ‚Kasten‘ standen und das mittig integrierte Kastenrahmenchassis meinten.

Während der Tipo 33/2 mit einem zwei Liter großen V8-Saugmotor startete, der im Laufe der Einsatzzeit auf 2,5 Liter Hubraum vergrößert worden war, standen im Tipo 33/3 bereits drei Liter Hubraum bereit. Für einige Rennen in Australien entwickelte Autodelta 1972 sogar eigens eine Vier-Liter-Version als Tipo 33/4. Im Tipo 33 TT kam erst einmal der Drei-Liter-V8 zum Einsatz, da hinter den Kulissen bereits am Nachfolgemodell gearbeitet wurde. Dieser debütierte Mitte 1973, hörte auf die Bezeichnung Tipo 33 TT 12 und erhielt als Kraftquelle einen von Carlo Chiti neu entwickelten Zwölfzylinder-Boxermotor mit drei Litern Hubraum. Damit standen für die damalige Zeit gewaltige 370 kW/500 PS bei 11.000 U/min zur Verfügung, die über ein Fünfgang-Getriebe auf die Hinterräder gelangten. Die aus Glasfaser verstärktem Kunststoff hergestellte Karosserie integrierte erstmals einen Frontspoiler und einen gewaltigen Heckflügel. Alfa Romeo brachte den Wagen gezielt erst mitten in der Rennsaison 1973, um ihn direkt unter Wettbewerbsbedingungen testen zu können und alle auftretenden Fehler direkt zu beheben. Dafür war der Tipo 33 TT 12 ab 1974 kaum noch zu stoppen. 1975 gewann man sieben der neun Läufe zur Sportwagen-Weltmeisterschaft mit Fahrerlegenden wie Arturo Merzario, Jacky Ickx, Rolf Stommelen, Mario Andretti, Jochen Mass, Brian Redman, Jacques Laffite, Vittorio Brambilla und Nino Vaccarella. Da damals nur die besten sieben Ergebnisse pro Saison zur Markenwertung herangezogen wurden, stand Alfa Romeo mit weißer Weste da. Zudem gewann man auch die nicht zur WM zählende Targa Florio auf Sizilien.

Beim Klassikerhändler Girardo & Co. steht aktuell das Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer AR11512 008 zum Kauf bereit. Es enstand Anfang 1974 für das Werksteam Autodelta und erlebte sein Renndebüt bei den 1.000 Kilometern von Monza am 25. April mit Arturo Merzario und Mario Andretti hinter dem Steuer. Die beiden stellten den Wagen im Zeittraining auf die Pole Position und gewannen das Rennen schließlich mit vier Runden Vorsprung vor ihren Teamkollegen Jacky Ickx und Rolf Stommelen und weitere vier Runden vor dem dritten Tipo 33 TT 12 mit Carlo Facetti und Andrea de Adamich. Chassis #008 wurde im Laufe der 1974er Saison weiterhin von Arturo Merzario bewegt, wobei sich als zweite Fahrer Jacky Ickx, Brian Redman und Vittorio Brambilla abwechselten. Rennen, an denen der Wagen nachweislich teilnahm, sind die 1.000 Kilometer von Imola, das 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring, die 1.000 Kilometer von Zeltweg, die 1.000 Kilometer in Watkins Glen und das CanAm-Rennen in Watkins Glen. Über das gesamte Jahr blieb #008 dabei der klassische Rennfarbton Italiens, rot, mit einem grün abgesetzten Frontspoiler und Heckflügel (abgesehen von Watkins Glen, wo der Flügel rot lackiert wurde) vorbehalten, wobei die Startnummern von Rennen zu Rennen verändert wurden. Einzig in Imola gab es zudem eine Karosserieveränderung mit kürzerem Heckabschluss um mehr Abtrieb zu erzeugen.

Für die Saison 1975 konnte Alfa Romeo das Rennteam von Willi Kauhsen (W.K.R.T., Willi Kauhsen Racing Team) als werksunterstütztes Privatteam gewinnen, um die Tipo 33 TT 12 weiterhin einzusetzen. Chassis #008 gehörte zu den Fahrzeugen, die nun von W.K.R.T. für die Rennen genannt wurden und sorgte mit vier Siegen und fünf zweiten Plätzen in neun Läufen zur Sportwagen Weltmeisterschaft maßgeblich dafür, dass Alfa Romeo Markenweltmeister wurde. Und das gegen die versammelte Konkurrenz von Ferrari, Porsche, March, Alpine-Renault, Lola, Mirage und Chevron. Auch der Gesamtsieg bei der Targa Florio gelang mit exakt diesem Auto, wobei allein im Training schon die Dominanz des Alfa aufgezeigt wurde: Man setzte die Pole-Zeit mit 36 Minuten und 7 Sekunden, womit man 52 Sekunden schneller als das zweitplatzierte Auto war. Interessanterweise saß stets Arturo Merzario in #008, wobei seine jeweiligen Fahrerkollegen wechselten. 1975 fuhr er gemeinsam mit Jacky Ickx, Jochen Mass, Jacques Laffite, Nino Vaccarella und Vittorio Brambilla. Nach dem letzten großen Erfolg bei der Targa Florio endete die Zeit der Renneinsätze für #008. Alfa Romeo behielt diesen besonderen Rennwagen bis Oktober 1984 und verkaufte ihn dann für 65 Millionen Lire an einen Schweizer Sammler. Zweieinhalb Jahre später kaufte Matteo Carraba aus Turin den Alfa für 85 Millionen Lire und holte ihn zurück nach Italien. Kopien der jeweiligen Kaufverträge gehören bis heute zur umfangreichen Fahrzeugdokumentation. In den späten 1990er Jahren reiste Ian Donaldson nach Turin, um sich in der Sammlung von Matteo Carraba einen Ford Escort RS Cosworth anzusehen. Dabei stieß er zu seiner Überraschung auch auf den Tipo 33 TT 12, der zu diesem Zeitpunkt ein Mischmasch aus den Sponsoraufdrucken von W.K.R.T. und dem 1974er Werksteam zur Schau trug. Kurzerhand erwarb Donaldson den Wagen, belebte die Technik wieder, ließ die Optik des ersten Renneinsatzes in Monza 1974 reproduzieren und zeigte ihn mehrfach beim Goodwood Festival of Speed. 2012 übernahm der heutige Besitzer den Rennwagen und ergänzte damit seine Sammlung, die auch einen Tipo 33/2 ‚Daytona‘ und einen Tipo 33/3 TT umfasst. Im Oktober 2017 brachte er Arturo Merzario und #008 auf der Teststrecke von Autodelta in Balocco wieder zusammen. Zudem fuhr er den Wagen bei den Le Mans Classic 2017 und 2018 sowie gemeinsam mit Derek Bell bei der Dix Mille Tours in Paul Ricard 2017.

Bilder: Girardo & Co., Tim Scott/Fluid Images, REVS Institute