90 Jahre Siege des Bugatti Typ 35

Bugatti – um diese Marke ranken sich Mythen und Legenden. Während die heutige Jugend den Sportwagenbauer vor allem wegen der vierstelligen Leistungsangaben an Veyron und Chiron kennen, gehörte man in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Teilnehmern im internationalen Motorsport. Egal wo die Bugatti-Rennwagen auftraten, ob vom Werk eingesetzt oder mit Privatfahrern hinter dem Steuer, man war überwiegend sehr erfolgreich unterwegs. Ein Jahr der Dominanz war dabei ohne Zweifel 1928. In jenem Jahr veränderte der Motorsportverband die Regularien, was Bugatti mit dem Type 35 sehr entgegen kam.

Den neuen Regeln entsprechend, durften Rennfahrzeuge lediglich zwischen 550 und 750 Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen, während die Motorleistung freigestellt war. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bugatti bereits in anderen Modellen eine gewisse Kompetenz für Reihen-Achtzylindermotoren erworben und verbaute ein entsprechendes Triebwerk im Typ 35. Dieser basierte ansonsten auf dem bereits zuvor erfolgreich genutzten Rennwagen Typ 30, allerdings mit verkürztem Radstand und diversen Gewichtseinsparungen, unter anderem durch eine schmalere, enger geschnittene Karosserie. So ist er wendig, leicht und zugleich leistungsstark, was speziell auf kurvigen Strecken Vorteile bietet. Während im straßenzugelassenen Typ 35A der unveränderte Motor aus dem Typ 30 mit rund 70 PS eingesetzt wurde, erhielt die Rennvariante ein weiterentwickeltes Aggregat mit fünf anstelle von drei Kurbelwellenlagern und 90 PS. Ab 1928 erfolgte der Einsatz der Typen 35B und 35C, die ein seitlich am Motorblock montiertes Roots-Gebläse, wodurch die Leistung auf 140 (T35B mit Hubraumerweiterung auf 2,3 Liter) beziehungsweise 125 PS (T35C) anstieg. Damit war der Bugatti bereits vor 90 Jahren über 200 km/h schnell.

Eigentlich waren für 1928 vom Motorsportverband sieben internationale Rennen geplant, letztlich fanden jedoch nur zwei statt. Dies führte dazu, dass kein Weltmeister gekürt wurde. Dennoch erzielte Bugatti Siege im Akkord. Von 26 großen Rennen gewann man 1928 allein 23, darunter elf Grand Prix und die Targa Florio. Tazio Nuvolari, der 1924 vom Motorrad auf Autos umgestiegen war, gewann mit einem Typ 35C den Grand Prix von Tripolis am 11. März, an dem auf dem Circuit d’Esterel in Frankreich auch Louis Chiron mit einem baugleichen Fahrzeug siegreich ins Ziel fuhr. Nuvolari und Chiron setzten die Siegesserie in den folgenden Wochen in Verona und beim Grand Prix von Antibes fort, wonach für Chiron Siege in Rom, Marne, San Sebastian/Spanien und Monza folgten. Daneben setzte Alberto Divo im Werksteam einen Typ 35B siegreich bei der Targa Florio auf Sizilien ein, wo in einem weiteren T35B Elisabeth Junek (eigentlich Eliška Junková) von sich Reden machte. Sie führte lange Zeit das Rennen an, fuhr die schnellsten Rundenzeiten und musste schließlich erst in der letzten Runde durch einen Schaden an der Wasserpumpe Tempo rausnehmen. Am Ende errang sie noch den fünften Platz, wurde aber wie eine Siegerin gefeiert.

Marcel Lehoux gewann den Grand Prix von Algerien und den Grand Prix von Tunesien auf einem Bugatti Typ 35C. Ein baugleiches Auto trägt William Grover-Williams beim Grand Prix von Frankreich als Ersten mit einem Vorsprung von fast zweieinhalb Minuten auf den Zweitplatzierten nach zwei Stunden und 27 Minuten Renndauer über die Ziellinie. Damals sprach man übrigens noch wirklich von ‚großen Preisen‘: Eine Runde auf dem temporären Rennkurs in der Nähe von Saint-Gaudens hatte 27 Kilometer Länge. Den letzten großen Sieg der Saison errang wieder Louis Chiron, der beim Großen Preis von Italien in Monza über die volle Renndistanz von drei Stunden und 45 Minuten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 160 km/h erzielte. Insgesamt errang Bugatti in den 1920er Jahren über 2.000 Rennsiege in aller Welt.

Bilder: Bugatti, The Bugatti Trust