65 Jahre BMW Isetta

BMW ist heutzutage für eine fast unübersichtliche Modellpalette bekannt, die von Kompaktfahrzeugen der 1er Reihe bis zu großen SUVs wie dem X7 oder eleganten Coupés und Cabriolets der 8er Reihe reicht. Dass dies nicht immer so war, wissen offenbar selbst manche Marketing-Manager des Münchner Autobauers inzwischen nicht mehr. Während vor dem Krieg diverse Mittelklasse-Modelle und Sportwagen aus dem Werk in Eisenach rollten, musste während der Kriegsjahre aufgrund von staatlichem Druck auf die Produktion von Flugzeugmotoren in München und Motorrädern für die Wehrmacht in Eisenach umgestellt werden. Ab 1945 stand BMW vor einem Scherbenhaufen, da die Produktionsstätten für Autos nun im Ostsektor unter sowjetischer Leitung standen und als Entschädigungsleistung der Aktiengesellschaft Awtowelo unterstellt wurden. Diese nutzte Vorkriegsbaupläne und stellte bald unter der Eigenmarke EMW (Eisenacher Motoren-Werke) Autos her, die nicht nur optisch stark an frühere BMW-Modelle erinnerten. Anfänglich trugen diese Fahrzeuge sogar noch das BMW-Logo, was die Münchner Firma erst 1951 endgültig gerichtlich untersagen konnte. Ab 1952 begann die Umstellung der Produktion von großen Viertakt-Limousinen hin zu kompakten Zweitaktern wie dem IFA F9 und später dem Wartburg 311 und 353.

Derweil versuchte sich die BMW AG in München nach dem Krieg mühsam neu aufzustellen, da hier sämtliche Fabrikationshallen zerstört oder demontiert worden waren. Erst 1948 rollten wieder erste Motorräder aus neuen Produktionshallen. Bis zum ersten Nachkriegsautomobil dauerte es sogar bis 1952, als man die repräsentative Limousine 501 mit Reihensechszylindermotor präsentierte. Von diesem Oberklassefahrzeug gab es im Laufe der Jahre auch wenige Coupés und Cabriolets sowie ab 1954 eine Variante mit V8-Triebwerk, die das Kürzel 502 erhielt. Diese großen Modelle richteten sich allerdings an eine Käuferschicht, die es zumindest in großen Teilen Westeuropas so kurz nach dem Krieg nur in begrenzter Anzahl gab. Zudem machten die sehr runden Formen, die dem Modell den Spitznamen ‚Barockengel‘ einbrachten, den Wagen nochmals uninteressanter für viele potenzielle Kunden. BMW brauchte also dringend einen Verkaufsschlager in kleinerem Maßstab, um einen drohenden Konkurs abzuwehren. Viele Kunden konnten sich nicht viel mehr als ein gebrauchtes Motorrad leisten. Selbst der Volkswagen war unerschwinglich. Das aufkommende Wirtschaftswunder ermöglichte aber nach und nach vielen einen Aufstieg und machte damit in den 1950er Jahren den Weg frei für sogenannte Rollermobile, also Kleinstautos, die häufig mit Motoren aus Rollern oder Motorrädern bestückt waren. Hilfreich war dabei, dass der alte Führerschein der Klasse IV neben Zweirädern auch Kraftfahrzeuge bis 250 Kubikzentimetern umfasste. BMW konnte sich zwar eine teure Neuentwicklung nicht leisten, fand jedoch eine andere Möglichkeit, um ein entsprechendes Auto ins Programm aufzunehmen: den Lizenzbau.

Dieser Schritt ist gar nicht so ungewöhnlich, wenn man einen Blick darauf wirft, wie BMW generell mit dem Autobau begonnen hatte. Der Dixi wurde von der aufgekauften Fahrzeugfabrik Eisenach AG übernommen und war nichts anderes als ein modifizierter Lizenzbau des Austin Seven. Nun warf man den Blick jedoch nicht nord- sondern südwärts, wo man jenseits der Alpen den Kälte- und Klimaanlagenhersteller Iso von Renzo Rivolta ausmachte. Dieser hatte von seinen Ingenieuren Ermenegildo Preti und Pierluigi Raggi, die beide aus dem Flugzeugbau stammten, ein ungewöhnlich gestaltetes Rollermobil namens Iso Isetta mit vorn angeordneter großer Tür und ebenso großem Stoffschiebedach entwickeln lassen und 1953 in Serienfertigung gebracht. Um den Einstieg in dieses Fahrzeug zu erleichtern, klappt das Lenkrad an einer speziell aufgehängten Lenksäule mit der Tür nach außen. Innen bot die Sitzbank Platz für zwei Erwachsene, während dahinter oberhalb des Motors eine große Ablagefläche für Gepäck aller Art bereitstand. Dieses Gefährt ging sogar bei der Mille Miglia an den Start. Eine Abordnung von BMW erblickte die Iso Isetta auf dem Turiner Autosalon 1954 und konnte Renzo Rivolta zur Unterzeichnung eines Lizenzvertrages überreden. Anschließend erhielt man ein Fahrzeug nach München, um die Konstruktion zu verstehen und in Details zu verbessern. Tatsächlich ließ der Vertrag mit Iso sowohl Verbesserungen als auch den Einbau eigener Motoren zu, was BMW als Motorradproduzent natürlich nutzte. Ein Einzylindertriebwerk, das man eigens für die Isetta mit einer Starterlichtmaschine und einer Gebläsekühlung ausgestattet hatte, sorgte nun für den Antrieb der Hinterachse. Für einige Länder wie Österreich oder Großbritannien (dort als Lizenbau von Brighton) gab es Versionen mit nur einem Hinterrad, da man somit eine Zulassung als Motorrad vornehmen konnte.

Die Premiere erfolgte im März 1955 als BMW Isetta 250 Motocoupé zu einem Grundpreis von 2.580 DM. Im Dezember des gleichen Jahres gesellte sich die Isetta 300 hinzu, deren Zahl auf den größeren Hubraum und eine Leistungssteigerung von 8,8 kW/12 PS auf 9,6 kW/13 PS hinwies. Für die Kraftübertragung sorgte jeweils ein unsynchronisiertes Viergang-Getriebe mit Rückwärtsgang. Zu erkennen sind die frühen Fahrzeuge durch eine weit herumgezogene Panoramaheckscheibe aus Plexiglas, fest verbauten großen Seitenscheiben und Dreiecksfenstern, die geöffnet werden konnten. Zudem gab es wenige Exemplare als Cabrio, bei dem anstelle der hinteren Panoramascheibe ein Stoffverdeck verbaut war. Alternativ gab es eine Pickup-Version als leichtes Nutzfahrzeug. Im Oktober 1956 erschien eine komplett modifizierte Variante mit dem Beinamen ‚Export‘ und deutlich vergrößerten Seitenscheiben sowie kleinerem Heckfenster. Das Cabrio blieb im Programm, der Pickup entfiel mangels Nachfrage.

Letztlich wendete die Isetta die drohende Insolvenz bei BMW lange genug ab und schuf Finanzreserven, um neue Modelle zu entwickeln. Das erste war dabei der BMW 600, der zwar in seinen Grundzügen mit der großen Frontaltür an die Isetta erinnert, jedoch bereits in Richtung eines vollwertigen Autos ging und durch eine seitliche Tür den Einstieg auf eine Rückbank erlaubte. Anschließend folgte der 700 und schließlich 1961 die ‚Neue Klasse‘, mit der die Marke sich endgültig etablieren konnte. Beinahe wäre es nicht soweit gekommen. Am 9. Dezember 1959 gab es eine Hauptversammlung aller Aktionäre, bei der es um den möglichen Verkauf der Firma an die Daimler-Benz AG ging. Fehler in der Bilanz und eine Ablehnungsfront von Kleinaktionären sorgte schließlich dafür, dass dieser von der Deutschen Bank gewünschte Schritt verhindert werden konnte. Von der Isetta entstanden bis Mai 1962 insgesamt 161.728 Exemplare. Der ursprüngliche Iso-Lizenzvertrag gestattete es BMW, die Isetta nach Österreich, in die Schweiz und nach Skandinavien zu exportieren. Die spätere Export-Version gelangte jedoch mit größeren Sealed-Beam-Leuchten auch in die USA und nach Kanada sowie mit zusätzlichen Lufteinlässen in der Tür in tropische Länder. Parallel gab es weitere Lizenznehmer von Iso wie Vélam (Frankreich), Iso España (Spanien), Moorkens (Belgien) oder Indústrias Romi (Brasilien), wobei letztere Firma später die BMW Isetta in Lizenz baute.

Bilder: BMW