50 Jahre Volvo 164

1968 meldete sich Volvo in einem automobilen Sektor zurück, den man bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt hatte. Die Obere Mittelklasse oder Oberklasse (je nach Definition) war über viele Jahrzehnte die Heimat des schwedischen Herstellers. 1950 endete jedoch die Produktion des PV60, den man auf Basis der Vorkriegsmodelle 1946 mit neuer Karosserie präsentiert hatte. Erst 18 Jahre später nahm der neue 164 den Faden wieder auf und bereitete den Weg für diverse Nachfolgemodelle bis hin zum aktuellen S90. Besonders die US-Händler von Volvo hatten um ein entsprechendes Fahrzeug gebeten, um Aufsteiger aus dem 140er ebenso bedienen zu können wie Kunden, die neben ihrem P1800 Sportcoupé gern einen edlen Alltagswagen wünschten. Doch auch in Deutschland fand der 164 viele Abnehmer.

Bereits Ende der 1950er Jahre hatte Volvo an einem neuen Topmodell gearbeitet, das einen V8-Motor erhalten sollte. Diverse Marktforschungsstudien sagten jedoch voraus, dass der weltweite Automarkt, speziell in den USA eher hin zu kompakteren Fahrzeugen gehen würde. Daher beendete Volvo alle Planungen für das V8-Modell 1960 und konzentrierte die Bemühungen auf eine luxuriösere Variante des 1966 präsentierten 144. Chefdesigner Jan Wilsgaard nahm die Rohkarosserie der 140er Baureihe und kombinierte diese mit der Frontpartie des geplanten P358, dem zuvor genannten V8-Modell, dessen Design bereits fast serienreif entwickelt war. Dabei kommen auch Assoziationen mit dem Sportwagen P1900 auf. Das ‚Iron Mark‘ getaufte Markenlogo saß auf der Motorhaube oberhalb des Kühlergrills und zusätzlich wie vor dem Krieg auf einem diagonalen Balken auf dem Kühlergitter.

Die Front unterscheidet sich nicht nur optisch von der 140er Reihe, sie ist im Vergleich auch um zehn Zentimeter länger, um einen neu entwickelten Reihen-Sechszylindermotor unterbringen zu können. Dieser hört auf das interne Kürzel B30, ist eine Weiterentwicklung der Vierzylinder-Triebwerke aus dem 140er, hat drei Liter Hubraum und leistet dank eines Zenith-Stromberg-Doppelvergasers 145 PS. Für die Kraftübertragung auf die Hinterräder kaufte man bei ZF in Deutschland ein manuelles Viergang-Getriebe zu, dessen Wählhebel ergonomisch günstig auf dem Mitteltunnel saß. Auch der Radstand wuchs um zehn Zentimeter, was zu mehr Komfort führte. Rundherum bot die Limousine hochwertige Materialien und ein wohnliches Ambiente. Die vorderen Sitze sowie die Einzelsitze im Fond tragen dicke Wollstoffbezüge. Eine klappbare Armlehne hinten und Textilfußmatten gehörten zur Serienausstattung, die zudem ab dem Modelljahr 1969 durch eine Lederausstattung und Kopfstützen ergänzt wurde. US-Kunden erhielten darüber hinaus eine Klimaanlage, ein elektrisches Schiebedach und elektrische Fensterheber sowie getönte Scheiben.

Auch technisch entwickelte sich der 164 im Laufe der Modelljahre weiter. 1969 gelangten zusätzliche Halogenscheinwerfer in die Frontmaske und 1972 wurde auf eine elektronische Benzineinspritzung umgestellt. Als 1975 bereits der Nachfolger 264 in Produktion gegangen war, ging die komplette Jahresfertigung aus dem Werk Kalmar, in dem der 164 in den finalen beiden Baujahren entstand, in die USA. Insgesamt entstanden 146.008 Exemplare. Ein 164er wurde vom italienischen Karosseriebauer Coggiola in den Prototypen des später von Bertone gefertigten 262C umgewandelt. Ein weiterer Wagen erhielt von der Special Vehicles Abteilung bei Volvo einen verlängerten Radstand und einen hohen Dachaufbau für den Einsatz als Krankenwagen, womit er als Vorläufer späterer gleichartiger Aufbauten auf Basis des 264 diente. Als Kombi gab es den 164 übrigens ab Werk nicht. Einige Karosseriebauer entwickelten diese jedoch auf eigene Faust und nannten die jeweiligen Ergebnisse dabei häufig 165. Optisch spannend ist zweifelsfrei der von Zagato 1970 in Genf präsentierte Volvo 3000 GTZ, dessen Technikkomponenten allesamt aus einem Volvo 164 stammten – zur Verfügung gestellt vom italienischen Volvo-Importeur Motauto. Nach einem Unfall soll dieses Fahrzeug wohl heute noch existieren, allerdings komplett zerlegt. Vielleicht erleben wir eines Tages eine Wiederauferstehung auf einem Concours d’Elegance?

Bilder: Volvo