50 Jahre Seat 850 Sport Spider

Nennen Sie ein Cabrio der spanischen Marke Seat. Keine Bange, bis vor wenigen Wochen hätten wir an dieser Stelle wohl ein ähnlich großes Fragezeichen im Gesicht gehabt, wie Sie es vermutlich gerade haben. Tatsächlich hat die heutige VW-Tochterfirma in ihrer gesamten Firmenhistorie von 1950 bis heute nur einmal für einen kurzen Zeitraum von vier Jahren ein offenes Modell im Serienprogramm aufgeführt. Auf der Techno Classica in Essen führten die Spanier ein Exemplar davon dem deutschen Messepublikum vor, wobei vielfach von einer Verwechselung ausgegangen wurde. Doch beginnen wir besser am Anfang der Story.

Seat wurde am 9. Mai 1950 als spanische Lizenzfirma von Fiat in Barcelona begründet. Interessanterweise beteiligte sich der italienische Autokonzern allerdings nur zu sieben Prozent an der neuen Marke, während 51 Prozent von der staatlichen Behörde ‚Instituto Nacional de Industria‘ und 42 Prozent durch spanische Banken gehalten wurden. Ab 1953 liefen erste Automobile von den neu errichteten Produktionsbändern, die optisch und technisch den damaligen Fiat-Modellen entsprachen. Diese Lizenzfertigung setzte sich bis 1984 fort, wobei die Seat-Ingenieure immer mal wieder eigene Karosserievarianten einstreuten. Auch das oben angesprochene und in der Überschrift bereits benannte Cabrio, der Seat 850 Sport Spider, entstammt komplett dem Fiat-Programm und ist daher speziell mitteleuropäischen Betrachtern auch nur aus italienischer Produktion bekannt. Kein Wunder, blieb der spanische Bruder doch vor allem dem Heimatmarkt vorbehalten und entstand im Vergleich zum Fiat auch nur in homöopathischer Dosis. Während in Italien von 1967 bis 1973 insgesamt 103.622 Exemplare (manche Quellen sprechen sogar von 140.000 Fahrzeugen) des offenen Zweisitzers entstanden, kam Seat von 1969 bis 1972 lediglich auf 1.746 Abnehmer. Es überrascht also nicht, dass sich am Seat-Stand in Essen viele Fiat-Liebhaber verdutzt die Augen rieben, als sie anstelle des gewohnten Emblems das Seat-Logo an Front und Heck entdeckten.

Wenn man den Seat 850 Sport Spider betrachtet, ist es eigentlich erstaunlich, dass er damals nicht mehr Käufer in Spanien gefunden hat. Er zeigt rassige Formen von Bertone mit knuffigen runden Scheinwerfern und einem kompakten Heckabschluss, bietet Platz für zwei Personen nebst Gepäck und ist mit seinen 38 kW/52 PS aus 903 Kubikzentimetern Hubraum ausreichend motorisiert, um an den Küstenpromenaden Spaniens im Verkehr mitzuschwimmen. Allerdings hatten spanische Kunden in den späten 1960er Jahren vermutlich andere Prioritäten und nicht unbedingt das Geld, um den 850 Sport Spider als Zweitwagen anzuschaffen.

Wieviele Exemplare des einzigen Cabrios der Seat-Geschichte heute noch existieren ist nicht bekannt. Da die hohe Fertigungsqualität der heutigen Zeit damals jedoch ebensowenig bekannt war, wie die moderne Rostvorsorge, muss man damit rechnen, dass nur ein geringer Prozentanteil überlebt hat. So ging der Bestand der in Deutschland zugelassenen Fiat 850 Sport Spider beispielsweise bis zum 1. Januar 2018 auf 358 Exemplare zurück, was allerdings im Vergleich zu 2013 eine Steigerung um 11 Fahrzeuge darstellte (Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes). Entsprechend selten sind beide Fahrzeuge heutzutage auf Oldtimerveranstaltungen zu sehen – der Seat allenfalls, wenn die ‚Coches Históricos‘-Abteilung des Herstellers beteiligt ist.

Bilder: Seat, Matthias Kierse