50 Jahre Porsche 917

Heutzutage ist Porsche nicht nur für schnelle Straßensportwagen, sondern auch für diverse Rennsiege in aller Welt bekannt. Darunter befinden sich inzwischen 19 Gesamtsiege beim prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen von Le Mans in Frankreich. Kaum vorstellbar, dass es auch mal eine Zeit vor diesen Erfolgen gab. Allerdings dauerte es von der Firmengründung 1948 volle 22 Jahre, bis erstmals ein Porsche als Führender die Ziellinie an der Sarthe kreuzte. Das Werksteam ging bereits mit frühen Exemplaren des 356 in Le Mans an den Start. Wie auch mit späteren Fahrzeugen wie dem 550 Spyder, 718 RSK, RS60 und RS61 sowie den ersten Ablegern des 911 startete man allerdings in kleineren Hubraumklassen und hatte mit dem Gesamtsieg nicht viel zu tun. Erst als ein gewisser Ferdinand Piëch, Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche, die Rennabteilung übernommen hatte und der Marke einen radikalen Kurs in Richtung Siegfähigkeit verordnete, bewegte sich das Pendel in diese Richtung.

Es begann mit dem ersten Kunststoff-Rennfahrzeug 904 Carrera GTS, der noch wahlweise mit Vier-, Sechs- oder Achtzylindertriebwerken in den kleineren Klassen unterwegs war, allerdings viele Erkenntnisse für spätere Rennwagen mit Kunststoffkarosserien wie den 906 Carrera 6, 907, 908, 909 Bergspyder und 910 brachte. Und obwohl mit dem 908 und dem 910 bereits diverse Erfolge verbucht werden konnten, drängte Piëch auf die Entwicklung eines wirklichen Wettbewerbers in der damals größten Prototypenklasse in der Sportwagen-WM, die ab 1968 für Fahrzeuge bis fünf Liter Hubraum ausgeschrieben war. Laut Regularien der FIA mussten zum Start in dieser Kategorie 25 identische Rennfahrzeuge aufgebaut werden, was von Mitbewerbern wie Ferrari oder Matra in den Vorjahren eher lässig ausgelegt worden war. Man zeigte fünf bis zehn Autos und erklärte, die restlichen Exemplare wären aufgrund des eng gesteckten Rennplanes bereits per Container auf dem Weg in die USA – nur dass dort nie entsprechende Container ankamen. Piëch wollte diese Mauscheleien bei Porsche jedoch nicht aufkommen lassen und wohl auch gegenüber der versammelten Konkurrenz ein deutliches Statement setzen. Obwohl Porsche damals finanziell beiweitem nicht so gut aufgestellt war, wie man es heute gern vermutet, ließ er 25 Porsche 917 aufbauen und Ende April 1969 zur Homologation durch die FIA im Werkshof in Zuffenhausen aufreihen. Das Bild ging um die Welt. Selbst wenn an den Gerüchten etwas dran sein sollte, dass einige Exemplare noch Bremssättel aus Holz und Getriebe mit nur einem Vorwärtsgang hatten, war dies eine Leistung, die niemand von Porsche erwartet hatte. Bereits einen Monat zuvor debütierte der 917 mit Chassisnummer 001 auf dem Autosalon in Genf.

Es folgte eine ziemlich durchwachsene erste Rennsaison 1969. Der 917 war alles andere als ausgereift und erwies sich als äußerst schwer zu fahren. Dadurch hielten sich die Verkaufschancen für die Rennwagenflotte in engen Grenzen, da Konkurrenzprodukte erfolgreicher und zugleich einfacher zu fahren waren. Einige 917er verunfallten mehr oder weniger spektakulär, wobei es in Le Mans leider auch zu einem Todesfall kam. John Woolfe aus Großbritannien gehörte zu den allerersten Kunden, die einen 917 einsetzten. Von Startplatz 21 aus kommend, katapultierte er seinen Wagen direkt unter die ersten zehn, bevor im Streckenabschnitt Maison Blanche mit zwei Rädern auf das Gras neben der Fahrbahn kam, sich drehte und mit hoher Geschwindigkeit in die Leitplanken krachte. Da es zur damaligen Zeit noch den berühmten ‚Le-Mans-Start‘ gab, bei dem die Fahrer über die Fahrbahn zu ihren Autos rannten, einstiegen und so schnell wie möglich losfuhren, konnte es dazu kommen, dass die Piloten sich erst im Laufe der ersten Runden korrekt angurteten. So war Woolfe zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht angeschnallt, wurde aus dem Auto geschleudert und verstarb noch an der Unfallstelle. Nicht wenige Werksfahrer bevorzugten im ersten Rennjahr den 908 anstelle des stärkeren, aber störrischen 917.

In Zusammenarbeit mit dem Rennteam von John Wyer, der das heute berühmte Gulf-Design in den Motorsport brachte, entwickelte Porsche in der Winterpause 1969/70 den 917 gezielt weiter und kam dabei schließlich auf die Idee, die Karosserie mit einem kurzen, steil abfallenden Heck enden zu lassen. Hierfür hatte man an einem Prototypen kurzerhand den hinteren Bereich per Säge entfernt. Beim daraus resultierenden 917 K entfiel die bisherige Plexiglas-Abdeckung über dem Motor, wodurch das Lüfterrad nun frei atmen konnte. Mit einem solchen Kurzheck-Fahrzeug gewannen Richard Attwood und Hans Herrmann schließlich endlich den französischen Langstreckenklassiker. 1971 folgte direkt ein weiterer Gesamtsieg durch Gijs van Lennep und Helmut Marko, die einen experimentellen 917 K mit Magnesium-Rohrrahmen fuhren. Parallel setzten sowohl das Werksteam als auch einige Kundenteams einen weiterentwickelten 917 Langheck (LH) ein, der zwar auf der langen Hunaudières-Geraden – damals noch ohne Bremsschikanen – auf bis zu 396 km/h kam, allerdings in den technisch anspruchsvolleren Kurvenkombinationen das Nachsehen hatte. Sowohl 1970 als auch 1971 gewann Porsche zudem auch die Sportwagen Weltmeisterschaft. Ab 1972 galten die Fünf-Liter-Regeln nicht mehr für die WM, weshalb sich Porsche in die Interserie und die CanAm-Meisterschaft umorientierte. Hierfür entstanden der 917/10, der Prototyp 917/16 mit 16-Zylinder-Boxermotor und schließlich der turboaufgeladene 917/30, der bis 1975 erfolgreich eingesetzt wurde. Das letzte Rennen abseits von Einsätzen im historischen Motorsport absolvierte jedoch der Kremer Rennstall aus Köln 1981 in Brands Hatch mit einem selbst aus Ersatzteilen zusammengebauten Kurzheck-Coupé, in dessen Heck ein 4,5-Liter-Triebwerk werkelte.

Aufgrund des schwierigen Fahrverhaltens der Urversion und des deutlich verbesserten Wesens des 917 nach der Heckkorrektur wurden alle Bestandsfahrzeuge umgebaut. Somit existierte seit 1970 kein Fahrzeug mehr in originaler Spezifikation. Zum runden Jubiläum baute Porsche nun jenen 917 mit Fahrgestellnummer 001, der einst in Genf debütierte, in den Ursprungszustand zurück. Dieses Auto blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. In Genf 1969 und bei der Präsentation für die FIA zeigte sich der Wagen in weißem Lack mit grünen Akzenten. Für die IAA in Frankfurt im gleichen Jahr weichen die grünen neuen orange-farbenen Akzenten und die große Nummer 917 wandelt sich in die 3. Nochmals zwei Startnummern herunter geht es, als das ‚J.W. Automotive Engineering‘ Team rund um John Wyer als offizielles Einsatzteam anstelle des Werksteams bekanntgegeben wird. Hierzu erstrahlt #001 nun im Gulf-Design mit hellblauem Lack und orange-farbenem Pfeil auf der Front.

Nachdem das Salzburger Porsche-Team 1970 in Le Mans gewonnen hatte, baute Porsche die Nummer 001 exakt im Stil des Siegerautos um und übergab ihn im Oktober des gleichen Jahres an Porsche Salzburg. Seit Ende 2017 beschäftigte sich nun ein Team aus Technikern, Ingenieuren und Museumsmechanikern aus Zuffenhausen damit, dem Wagen wieder in seine ursprüngliche Erscheinung zu verhelfen. Hierfür fertigte man die Front- und Heckpartien aufwendig per neuester 3D-Technologie anhand von originalen Konstruktionszeichnungen nach. Originale Skizzen halfen auch dabei, die damalige Rohrrahmenkonstruktion im Heckbereich nachzubauen. Auf der Retro Classics in Stuttgart konnten Besucher den frisch fertig gestellten Wagen erstmals in Augenschein nehmen.

Vom 14. Mai bis 15. September widmet das Porsche Museum in Stuttgart Zuffenhausen dem legendären Rennsportwagen eine Sonderausstellung, in der zehn 917 und vier weitere Exponate zu sehen sein werden. Zudem gelangen pünktlich zur Sondershow diverse 917-Artikel in den hauseigenen Shop.

Bilder: Porsche, Matthias Kierse