50 Jahre Mercedes-Benz C111

Einige Sportwagen aus dem Hause Mercedes-Benz sind unter Autofans bestens bekannt. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es den SSKL, danach den 300 SL, der durch seine Flügeltüren Berühmtheit erlangte. Auch in der heutigen Zeit gibt es mit SLS AMG und GT wieder entsprechende Modelle und auch die Zukunft ist dank des AMG One abgedeckt. Zwischen dem 300 SL der 1950er und dem SLS AMG klafft jedoch eine eklatante Lücke von fast 50 Jahren. Wer nun glaubt, dass es in dieser Zeit keine entsprechenden Entwicklungen bei der Sternenmarke gegeben hätte, irrt sich gewaltig. Bereits Anfang der 1960er zeichneten die hauseigenen Designer Paul Bracq und Giorgio Battistella einen Mittelmotor-Supersportwagen, der im Frühjahr 1966 im Maßstab 1:1 als rollbare Studie aus Holz und Kunststoff ohne Interieur auf seinen Rädern stand, in die Windkanalerprobung ging und als ‚SLX‘ dem Daimler-Vorstand vorgestellt wurde. Aus heutiger Sicht erscheint das rundliche Design typisch für diese Ära der Sportwagen und der Mercedes-Entwurf hätte zweifelsfrei Käufer gefunden. Damals entschied man sich jedoch gegen eine Weiterverfolgung des Konzeptes und schob die Studie ins Fahrzeugdepot, ohne es der Öffentlichkeit zu zeigen. Erst in diesem Jahr, zum 50-jährigen Jubiläum unseres heutigen Themenfahrzeugs, holte man die Studie aus der Ecke, entstaubte es und stellte es auf der Techno Classica in Essen ins Rampenlicht.

Drei Jahre nach dem SLX begannen bei Mercedes-Benz die Arbeiten am damals neuartigen Kreiskolbenmotor nach dem von Felix Wankel erdachten Prinzip. Viele Hersteller setzten damals ihre Hoffnungen in dieses neue Konzept und erwarben Lizenzen, um diese hochdrehenden Triebwerke eingehend zu erproben. In Stuttgart entstand hierzu eigens ein rollendes Versuchslabor in Form des Mittelmotorsportwagens C111, den Mercedes-Benz 1969 auf der IAA in Frankfurt dem erstaunten Messepublikum präsentierte. Das Designteam rund um Josef Gallitzendörfer und Bruno Sacco erarbeiteten hierfür eigens ein kantig-modernes Styling, nachdem der allererste Prototyp eine reine Behelfskarosserie aus Kunststoff erhalten hatte, die einzig und allein die Technologiekomponenten rudimentär vor neugierigen Blicken und Wettereinflüssen schützen sollte. Heute existiert dieser Prototyp leider nicht mehr. Die auf der IAA vorgestellte erste Generation des C111 zeigte sich bereits in der bis heute berühmten Lackierung ‚Weißherbst‘, die entgegen ihres Namens ein knalliges Orange darstellt. Neben der Keilform und dem ungewöhnlichen Antriebskonzept mit nur 600 Kubikzentimetern Kammervolumen begeisterten vor allem die Flügeltüren die Messebesucher. Einige reiche Sportwagensammler aus aller Welt schickten in Erwartung einer baldigen Serienumsetzung Blankoschecks nach Stuttgart. Allerdings stellte Mercedes-Benz von Anfang an klar, dass eine Produktion des C111 nicht geplant sei.

Dennoch präsentierte man den Supersportwagen in einer weiterentwickelten, eleganteren zweiten Version im März 1970 auf dem Genfer Autosalon. Neben einer verbesserten Aerodynamik und modifizierter Luftführung zu den Kühlern kam hinter den Passagieren nun ein Kreiskolbenmotor mit vier statt drei Rotationskolben zum Einsatz. Hierdurch stieg die Leistung von 280 auf 350 PS und die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 260 auf 300 km/h an. Aus dem Stand auf Tempo 100 vergehen lediglich 4,8 Sekunden. Die Urversion des C111 musterte man nach und nach aus. Von sieben gebauten Autos existieren heute nur noch zwei, von denen eines optisch ein wenig an die zweite Generation angeglichen wurde. Dieser Wagen stand im April neben der Studie SLX auf der Techno Classica. Von den sechs gebauten C111-II besitzt Mercedes-Benz bis heute alle Exemplare. Aufgrund der mangelhaften Standfestigkeit, des hohen Verbrauchs und der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre stellte man die Erprobung der Kreiskolbenmotoren bei Mercedes-Benz 1973 ein, obwohl man von der Fahrdynamik durchaus überzeugt war. Den Mittelmotorsportwagen nutzte man jedoch weiterhin als Testträger für verschiedene normale Triebwerke bis hin zum V8. Ein C111-II erhielt 1976 einen Umbau auf ein Fünfzylinder-Turbodieseltriebwerk mit 190 PS aus drei Litern Hubraum, das ursprünglich im 240 D 3.0 (Baureihe W115 /8) ohne Turboaufladung lediglich auf 80 PS kam. Gleichzeitig entfielen die Klappscheinwerfer und die Außenspiegel zugunsten eines geringeren Luftwiderstandes. Im Juni des gleichen Jahres mietete man sich auf der Kreisbahn im süditalienischen Nardò ein, um einen 64-stündigen Dauertest mit vier Werkspiloten zu fahren. In diesem Zeitraum stellte man 16 internationale Geschwindigkeitsrekorde für Dieselfahrzeuge auf und erreichte dabei Durchschnittsgeschwindigkeiten über 250 km/h.

Obwohl mit dem C111-IID, wie der Dieselrekordwagen intern getauft wurde, das C111-Programm eigentlich abgeschlossen war, forschten die Mercedes-Ingenieure im Hintergrund weiter – angestachelt durch die eingefahrenen Rekorde und den Werbewert für Autos mit Dieselmotoren. Anfang 1978 stand schließlich der C111-III als Weiterentwicklung auf seinen Rädern und erstrahlte erstmals nicht in Orange, sondern im klassischen Silber metallic der legendären deutschen Rennfahrzeuge. Als Antrieb diente weiterhin der drei Liter große Turbodieselmotor, nun jedoch mit 230 PS. Optisch unterschieden sich die beiden gebauten C111-III bereits deutlich von den zuvor bekannten Versionen und machte durch die Radverkleidungen und eine Luftleitfinne auf der Motorabdeckung unmissverständlich klar, dass eine Straßenzulassung oder Serienproduktion keinesfalls möglich oder angedacht war. Stattdessen wollte man mit dem C111-III weitere Dieselweltrekorde aufstellen und kehrte hierzu im April 1978 nach Nardò zurück. Diesmal dauerte die Langstreckenfahrt dort nur 12 Stunden. Dennoch brach man neun internationale Rekorde und konnte aufgrund des geringen Luftwiderstandbeiwertes von nur 0,183 eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 321,9 km/h über 500 Kilometer und 316 km/h über die vollen 12 Stunden einfahren. Auf der Basis von einem der beiden C111-III entstand für 1979 der C111-IV, der diesmal jedoch nicht mehr in der Dieselklasse, sondern als Benziner um Rekorde fahren sollte. Im Windkanal erfolgte weitere Feinarbeit, die zu einem großen Frontspoiler und zwei Finnen am Heck führte. Als Antrieb diente ein 4,5 Liter großer V8-Motor, der damals auch im SL und der S-Klasse erhältlich war. Im Rekordjäger erhöhte man den Hubraum auf 4,8 Liter und verbaute zudem zwei Turbolader, wodurch die Leistung bei 368 kW/500 PS lag. Erneut buchte sich Mercedes-Benz in Nardò ein und erzielte dort am 5. Mai 1979 einen neuen Durchschnittsgeschwindigkeitsrekord auf einer Rundstrecke von 403,978 km/h.

Heute zählt der Mercedes-Benz C111 zu jenen Sportwagen, die viele Sammler gern in ihrer Garage hätten. 1991 stellte man mit dem Konzeptfahrzeug C112 einen indirekten Nachfolger mit dem V12-Triebwerk aus dem damals neuen 600 SE vor, der ebenfalls trotz großer Nachfrage nie in Produktion ging. Einen Serien-Flügeltürer mit Stern im Kühlergrill gab es erst 2009 mit dem SLS AMG wieder.

Bilder: Matthias Kierse