40 Jahre Mercedes-Benz G-Klasse

Mercedes-Benz ist seit Jahrzehnten für solide und luxuriöse Automobile bekannt. Dies galt in den 1970ern noch mehr als heute, zumal sich die Schwaben damals noch nicht in einer Vielzahl von Modellreihen verzettelten. Es gab die E-Klasse (W123), die S-Klasse (W116), den SL (R107), den SLC (C107) und die Präsidentenlimousine 600 (W100). Daneben bot man einige Nutzfahrzeuge und natürlich Lastkraftwagen an. Das war’s, übersichtlich und schnell erzählt. 1969 begann jedoch die Entwicklung einer völlig neuen Fahrzeuggattung, deren Anstoss der Schah von Persien gab. Er wünschte für sein Militär ein leichtes und äußerst belastbares Geländefahrzeug mit der Möglichkeit, verschiedene Aufbauten zu montieren. In Stuttgart erkannte man schnell, dass auf dieser Basis auch eine zivile Variante denkbar wäre und holte sich die Experten von Steyr-Daimler-Puch aus Österreich mit ins Boot. Letztlich wurde der angekündigte Großauftrag aus Persien aus verschiedenen Gründen nie konkretisiert, dafür rollte aber mit dem neuen G-Modell ein Fahrzeug auf die automobile Bühne, das sich in den folgenden vier Jahrzehnten Legendenstatus erwarb.

Bereits bei der offiziellen Pressepremiere vom 4. bis 9. Februar 1979 im französischen Toulon konnte der W460, wie der G als Baureihe anfangs intern hieß, alle Kritiker zum Schweigen bringen. Für den zivilen Verkauf bot Mercedes-Benz neben der dreitürigen (2,40 Meter Radstand) und der fünftürigen Aufbauform (2,85 Meter Radstand) mit festem Dach auch ein Cabrio, einen Pickup und verschiedene Versionen mit verblechtem Heck als Transportfahrzeuge an. Zudem konnten Karosseriebauer auch halbbestückte Chassis erwerben und eigene Aufbauten verwirklichen. Gemeinsam haben sie, dass sie im rauhen Gelände deutlich weiter kommen als viele Mitbewerber. Dafür sorgte das Team von Ingenieuren und Designern bereits während der Entwicklung, indem sie große Böschungswinkel vor den Rädern und eine hohe Fahrzeughöhe mit einem kantigen und dennoch gefälligen Styling verknüpften. Gemeinsam mit Steyr-Daimler-Puch gründete Mercedes-Benz 1977 die Geländefahrzeug Gesellschaft (GfG) mit Sitz in Graz, wo von Anfang an alle G-Modelle entstehen. Parallel zum zivilen W460 entsteht der W461 für Militärkunden, Behörden und Kommunen in aller Welt. Bei der deutschen Bundeswehr läuft der G beispielsweise als Wolf. Ab 1990 entfällt der W460 zugunsten des deutlich verbesserten und vor allem ausstattungsseitig aufgewerteten W463, während der W461 nun auch zivilen Kunden wie beispielsweise Jägern und Förstern angeboten wurde. Wer nun die Baunummer W462 dazwischen vermisst: Damit wurden CKD-Bausätze (Completely Knocked Down) der Militärvariante bezeichnet, die in Graz produziert, dann zerlegt und in Ländern wie Griechenland wieder zusammengesetzt wurden.

Wir bleiben an dieser Stelle allerdings beim zivil genutzten G, dessen Fangemeinde immer weiter wuchs. Selbst der Papst erhielt einige Exemplare mit speziellen Aufbauten als Papamobil. 1983 gewann Jacky Ickx mit einem von einem Privatteam vorbereiteten G die berüchtigte Paris-Dakar-Rallye. Ab 1985 erhielten alle Motorvarianten serienmäßige Differenzialsperren, zwei Jahre später war auch eine Servolenkung für alle Triebwerke erhältlich. Mit der Modellpflege zum W463 übernahm man auch das ursprünglich für die S-Klasse entwickelte ABS in den G, während der Allradantrieb ab jetzt permanent ausgelegt ist und nicht per Hebel zugeschaltet wird. Zudem zeigt sich das Interieur ab dem W463 auf Wunsch mit Leder und Edelholz-Dekorleisten. 1993 legte Mercedes-Benz eine kleine Auflage des 500 GE mit Achtzylinder-Triebwerk auf. Es war der Vorgeschmack auf weitere leistungsstarke Ableger wie den G 36 AMG und den ab 1998 permanent angebotenen G 500. AMG hatte bereits in den 1980ern als unabhängiger Tuner manchen G mit größeren Motoren bestückt. Durch die enge Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz in den 90ern, die schließlich in einer schrittweisen Übernahme mündete, rollten schließlich Sportversionen verschiedener Baureihen ins normale Angebot der Sternenhändler. So erfolgte 1999 die Premiere des ersten G 55 AMG mit einem 354 PS starken V8-Saugmotor. 2004 erstarkte er durch den Einbau eines Kompressors erst auf 476, dann auf 500 (2006) und schließlich auf 507 PS (2008). Es folgten der G 63 AMG V12 in Kleinstserie (444 PS, 2002 bis 2003), der G 63 AMG mit V8-Biturbomotor (544 PS ab 2012 und 571 PS ab 2015) sowie als Krönung der normalen Modellpalette der G 65 AMG mit 612 (ab 2012) beziehungsweise sogar 630 PS (2015 bis 2018) aus einem V12-Biturbo-Aggregat.

Diese extrem kraftvollen Ableger waren jedoch nie die verkaufsstärksten Versionen des G, sondern markierten nur das eine Extrem der Skala. Wirkliche Stückzahlen erreichte man eher durch die Dieselversionen, die sich ordentlich durch’s Gelände wühlen oder als Zugfahrzeuge bei Pferdefreunden und Bootsfahrern beliebt sind. Ab 1993 wurde aus dem G-Modell die G-Klasse, um auch den ‚Unimog Sport‘, wie er von einigen Betrachtern betitelt wird, in die Nomenklatur der restlichen Modellpalette einzugliedern. 2013 überraschte der Stuttgarter Autobauer die Fachwelt mit der Premiere des G 63 AMG 6×6, der nicht nur über sechs Räder verfügte, sondern dank dreier Portalachsen und einem elektrischen Reifendrucksystem für diverse Offroad-Abenteuer gerüstet ist. Gekauft wurde er letztlich aber eher von Innenstadt-Fahrern, die mit dem Riesen auf den Prachtmeilen der Metropolen protzen möchten. Zu diesem Zweck legte man zwei Jahre später auch den G 500 4×4² auf, der ebenfalls über die Portalachsen verfügt, aufgrund seiner serienmäßigen Leichtmetallräder aber wohl nur in den seltensten Fällen schweres Gelände sehen wird. Ebenso verhält es sich mit dem nur 99-mal gebauten Mercedes-Maybach G 650 Landaulet, mit dem der G kurz vor seinem Produktionsende quasi in den Adelsstand erhoben wurde. 2018 endete nämlich die Fertigung der G-Klasse in ihrer ursprünglichen Ausführung, da diverse neue Richtlinien in der EU und den USA in naher Zukunft Neuzulassungen dieses Typs unmöglich gemacht hätten. Dafür entwickelte die GfG jedoch einen adäquaten Nachfolger, der mehr Platz im Innenraum bietet, jedoch gleiche oder sogar bessere Offroadfähigkeiten mitbringen soll und natürlich im Innenraum an die Konnektivitätsbedürfnisse der heutigen Generationen angepasst wurde. Interessanterweise läuft der Neuling intern erneut unter dem Baureihenkürzel W463, obwohl er mit dem Vorgänger allenfalls die Form und die Verwendung des Mercedes-Sterns im Kühlergrill gemeinsam hat.

Frühe Exemplare des W460 zählen heute bereits zu den Liebhaberfahrzeugen im Offroadmarkt. Guten Zustand vorausgesetzt erreichen sie Preise zwischen 40.000 und 70.000 €. Damit liegen sie natürlich nicht an der Spitze der G-Preise, immerhin kostete das G 650 Landaulet neu ab Werk bereits mehr als das Zehnfache. Dennoch wird man sie wohl unbekümmerter einmal über einen staubigen Feldweg scheuchen als den Hochglanz-Protz-G mit polierten Felgen und offenem Cabrio-Verdeck über den Fond-Passagieren. Happy Birthday, G, aus dir ist ganz schön was geworden.

Bilder: Mercedes-Benz