40 Jahre BMW M1

Kennen Sie einen deutschen Seriensportwagen mit Mittelmotor-Bauweise? Ja, es gibt da den Porsche Boxster und Cayman und vor langer Zeit gab es auch mal ein Gemeinschaftsprojekt aus Zuffenhausen und Wolfsburg zum gleichen Thema, aber sonst? Mercedes-Benz C111 und C112 schafften es nicht in die Produktion und die Isdera-Modelle 033i Spyder, 036i Spyder, 108i Imperator und 112i Commendatore kamen über Klein(st)serien nicht hinaus. Doch es gab tatsächlich noch ein weiteres Fahrzeug, das in diesem Jahr 40. Geburtstag feiert, obwohl der Grundentwurf bereits 1972 als Konzeptstudie debütierte. Die Rede ist vom BMW M1, dessen Styling bereits mit dem von Paul Bracq Turbo Concept vorweggenommen wurde und dann von Giugiaro eine Überarbeitung erhielt. Während die Studie – der Name nimmt es vorweg – einen per Turbolader zwangsbeatmeten Vierzylindermotor hinter den Passagieren aufwies, gab es für das neue Supersportwagenprojekt anfänglich ganz andere Überlegungen. Dass dabei am Ende eine Straßenversion mit weniger als den 280 PS im Turbo Concept herauskommen würde, war anfänglich nicht absehbar.

Ursprünglich überlegte man bei BMW, den Sportwagen als 9er Reihe oberhalb der Limousinen zu positionieren. Man muss dabei beachten, dass es Mitte der 1970er Jahre erst seit Kurzem den kompakten 3er, die Mittelklasselimousine 5er sowie das 6er Coupé gab, während die Oberklasselimousine 7er erst ab 1977 dazustieß. Als Antriebskonzept geisterten verschiedene Modelle durch die Köpfe der Entwickler. Ob man den fünf Liter großen V8 (mit Vierfachvergasern als M09, mit mechanischer Einspritzung als M27 oder mit der D-Jetronic von Bosch als M36), einen neu zu entwickelnden Hochdrehzahl-V8 nach Vorbild der damaligen Formel-1-Triebwerke oder gar ein ganz neues Motorenkonzept wie einen flachen V-Motor mit einem 180-Grad-Zylinderwinkel im Stil des Ferrari 512 BB nutzen soll, wird in langen Debatten abgewogen. Letztlich entfallen zuallererst die beiden V8-Möglichkeiten. Auch der flache V-Motor, für den es Planspiele mit acht oder zehn Zylindern gab, wurde verworfen und stattdessen der für den 7er (E23) entwickelte 4,5-Liter-V12 favorisiert – allerdings nur in der Straßenversion, während für den Motorsportableger der weiterentwickelte Reihensechszylindermotor M49 des 3.5 CSL in Frage käme. Nicht einmal ein halbes Jahr nach dieser Projektierung enfällt auch der V12 aus den Unterlagen. Stattdessen kümmert sich das BMW-Motorengenie Paul Rosche um den Sechsender, der nach seiner Evolution auf das interne Kürzel M88 hört und es letztlich auf 277 PS und 330 Newtonmeter Drehmoment bringen wird.

Während anfänglich eine Kooperation mit Karmann in Osnabrück für Entwicklung und Bau des M1 im Gespräch ist, wo seit 1965 die großen BMW-Coupés vom Band laufen, kam man ab Ende 1975 in Kontakt mit Lamborghini, wo man sich besser mit der Fertigung von Kunststoffkarosserien auskannte. Zudem ist das Autowerk im italienischen Sant’Agata schlecht ausgelastet, da sich die Sportwagenmarke in einer ernsten Absatzkrise befand. Das Rohrrahmenchassis entstand bei Marchesi in Modena, die Kunststoffteile bei T.I.R. in nächster Nachbarschaft, während Lamborghini für die Komplettierung verantwortlich sein sollte. Anfang 1977 steht der erste fahrfähige Prototyp auf seinen Rädern und ging anschließend in den Fahrversuch mit Valentino Balboni, Gian Paolo Dallara und Stanislaus Sterzel am Steuer. Ab November 1977 taucht schließlich das Kürzel M1 in den offiziellen Unterlagen auf, während zugleich die geplante Fertigungsmenge von 2.000 auf 800 Straßenversionen reduziert wird und zugleich die Rennwagenproduktion von Sant’Agata nach München verlegt wurde. In den folgenden Monaten kündigen immer mehr Zulieferer ihre Verträge mit Lamborghini wegen ausbleibender Zahlungen, weshalb schließlich auch BMW den M1-Auftrag am 19.04.1978 aufkündigt. Als Folge sperrt Lamborghini die Prototypen, Bauteile, Pläne und Fertigungswerkzeuge weg, obwohl sie vertragsrechtlich BMW gehören. Um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu umgehen, sperren einige Lamborghini-Mitarbeiter schließlich in einer geheimen Nacht-und-Nebel-Aktion die Werkstore für eine LKW-Flotte aus München auf und helfen beim Verladen.

Damit stand BMW also kurz vor dem geplanten Serienstart ohne Fertigungspartner da und musste sich erneut nach passenden Anbietern umsehen. Nach Gesprächen mit Messerschmitt-Bölkow-Blohm und De Tomaso wählte man schließlich die Stuttgarter Firma Baur in Kooperation mit Italdesign aus Turin. Während in Italien Rahmen und Karosserie zusammengebaut und lackiert wurden, erfolgte die anschließende Endmontage im Schwabenländle. Ab Ende 1978 standen dann tatsächlich erste Fahrzeuge bei den Händlern bereit, allerdings nicht mehr für die ursprünglich geplanten 80.000,- DM Kaufpreis, sondern für 100.000,- DM, womit er teurer als Ferraris damaliges Topmodell war. Dies führte zu einer eher geringen Nachfrage und letztlich zu nur 399 gebauten Straßenfahrzeugen. Derweil führten die vielen Verzögerungen im Entwicklungsprozess dazu, dass die geplante Wettbewerbsversion des BMW M1 zu spät fertig wurde. Inzwischen hatten sich die Regularien für die Sportwagen-Meisterschaft verändert und ließ dem M1 nur geringe Siegchancen. Neben wenigen Einsätzen, unter anderem in Le Mans, legte BMW für die 54 gebauten Rennautos selbst die Procar-Serie im Rahmenprogramm der Formel 1 auf, wo 1979 und 1980 ausgewählte Privat- und Nachwuchsfahrer gegen die jeweils fünf schnellsten Piloten des F1-Qualifikationstrainings antraten. Der bis heute berühmteste und auch unzweifelhaft teuerste BMW M1 startete allerdings 1979 in Le Mans in einem außergewöhnlichen Farbkleid, das innerhalb von nur rund 45 Minuten vom Künstler Andy Warhol gestaltet worden war.

Bilder: BMW