30 Jahre Cizeta V16T

Claudio Zampolli lernte sein Handwerk in der Entwicklungsabteilung von Lamborghini und übernahm nach seinem Ausscheiden aus der Firma Anfang der 1980er Jahre einen Sportwagenhandel mit Werksverträgen für Lamborghini und Ferrari in Los Angeles. Zugleich arbeitete er an einem eigenen Sportwagenprojekt, für das er Mitte 1986 die Unterstützung des Grammy- und mehrfachen Oscar-Gewinners sowie Komponisten Giorgio Moroder einholen konnte. Fortan lief das Projekt unter dem gemeinsamen Namen Cizeta-Moroder, wobei Cizeta die Initialen von Zampolli auf italienisch zusammenfasst (ci = C und zeta = Z). Der einzigartige Supersportwagen sollte die Automobilwelt im Sturm erobern und einige technische Grenzen überwinden.

Hierzu entwickelte Zampolli einen Gitterrohrrahmen und gab bei Motorenkonstrukteur Oliviero Pedrazzi, der früher gemeinsam mit ihm bei Lamborghini arbeitete, einen Sechzehnzylinder in V-Bauweise in Auftrag. Dieser wurde entgegen gängiger Bauweisen quer hinter dem Passagierabteil verbaut und gibt seine Leistung mittig am Block in Richtung des dahinter montierten manuellen Fünfgang-Getriebes von ZF ab. Dies erklärt auch den Namen V16T, wobei das T für ‚transversal‘ steht. Das Triebwerk entstand auf Basis der technischen Grundzüge der Urraco-V8-Maschine von Lamborghini, erhielt jedoch diverse Modifikationen und einen Hubraum von sechs Litern. Daraus schöpft man 399 kW/540 PS, womit bis zu 325 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich sind.

Für das Design des Supersportwagens wandte sich Zampolli an den renommierten Designer Marcello Gandini, der bereits durch diverse Lamborghini Bekanntheit erlangt hatte. Sein erster Entwurf fiel jedoch auf Anhieb bei Zampolli und Moroder durch. Als er daraufhin weitere Zeichnungen und ein Modell vorzeigte, die ein deutlich radikaleres Auto zeigten, war Zampolli restlos begeistert. Was er nicht wusste: Diesen Entwurf hatte Gandini zuvor bei Lamborghini als P132 eingereicht, war jedoch an Chrysler als damaligem Besitzer der Sportwagenmarke gescheitert, die den Wagen zu krass fanden. Ohne das Wissen von Zampolli entwickelte die Lamborghini-Designabteilung Gandinis Modell jedoch weiter und brachte das fertige Fahrzeug schließlich 1990 als Diablo auf den Markt. Optische Gleichheiten fielen selbst nicht eingeweihten Autofans direkt ins Auge. Allerdings bietet der Cizeta diverse Details, die der Lamborghini nicht zeigt, beispielsweise die vier Klappscheinwerfer oder die lange, flache, nach hinten öffnende Motorhaube mit integriertem Heckflügel. Abgesehen von den beiden für Brunei gefertigten Autos zeigten alle Produktionsfahrzeuge gegenüber dem Prototypen abgeänderte Lufteinlässe in der Front und an den Seiten auf.

Kurz nach der Weltpremiere des fertigen Prototyps in Los Angeles im Dezember 1988 kam es zwischen Zampolli und Moroder, dem der Entwicklungsprozess zu lange dauerte, zum Bruch. Der Komponist wollte möglichst schnell Ergebnisse sehen und hatte bereits auf eigene Faust bei Uwe Gemballa in Deutschland vorgefühlt, ob dort eine Serienproduktion mit Kunststoffkarosserie und BMW-Motoren möglich wäre. Ein entsprechendes Angebot an Zampolli, dessen Anteile an der von ihm selbst gegründeten Firma zu kaufen, scheiterte an den Zahlungsmodalitäten und wurde schließlich ins Gegenteil gekehrt: Zampolli bezahlte Moroder mit dem perlweiß lackierten Prototyp aus, den dieser bis heute besitzt. Zampolli strich den Namensteil seines ehemaligen Geschäftspartners aus dem Firmentitel und begann ab 1989 endlich mit der Kleinserienfertigung des Cizeta V16T, immerhin lagen bereits einige Vorbestellungen vor. Aus der ursprünglich angestrebten Nummer von einem Auto pro Woche wurde allerdings nie etwas. Man reduzierte bald auf 40 pro Jahr und schließlich auf zehn – insgesamt entstanden inklusive dem bereits genannten Prototyp zehn Coupés und 2003 ein Spyder namens Fenice TTJ. Letzteren sowie zwei Coupés produzierte Zampolli aus Restbeständen in den USA, wo auch immer noch drei unvollendete Chassis lagern sollen. Für Deutschland gab man auf dem Genfer Autosalon 1989 einen Grundpreis von 527.250,- DM bekannt. Allerdings ging ein Großteil der Produktion nach Ostasien, speziell auf den japanischen Markt. Der dortige Importeur plante sogar Renneinsätze, musste diese Pläne jedoch durch den Einbruch der japanischen Börse aufgeben.

Ebenso erging es Claudio Zampolli, der bei den Banken eigentlich einen Kredit in Höhe von 500.000,- US$ erhalten hatte. Aufgrund langjähriger Auseinandersetzungen mit den Behörden am Firmenhauptsitz in Modena/Italien, die laut Zampolli Mehrwertsteuerrückzahlungen aus Fahrzeugexporten zurückhielten, schrumpfte jedoch sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit kontinuierlich und führte schließlich dazu, dass nur noch 30.000,- US$ als Kredit bereitlagen – nicht genug, um die aufgelaufenen Zuliefererrechnungen zahlen zu können. Somit war 1995 erst einmal Schluss. Zampolli erreichte es, alle verbliebenen Chassis, Motoren und Teile zugesprochen zu bekommen und verlagerte sie nach Kalifornien, wo er neben Werkstattleistungen bis heute anbietet, Neuwagen nach Kundenwunsch aufzubauen.

Alle Cizeta V16T existieren heute noch. Zwei erhielten während ihrer Zeit in der Sammlung des Sultan von Brunei neue Interieurs und einen Wechsel auf die Antriebstechnik des Ferrari 512 TR. Für die restlichen Fahrzeuge hält Claudio Zampolli bis heute Ersatzteile bereit und kann anhand von originalen Konstruktionszeichnungen und Werkzeugen auch vergriffene Teile schnell nachfertigen. Der Prototyp erhielt jüngst bei Canepa in den USA eine umfangreiche Restaurierung, nachdem er seit 1990 eingelagert war.

Bilder: Cizeta Automobili, Claudio Zampolli