30 Jahre Audi V8

Viele Leute kennen Audi nur in der heutigen Form, also als Hersteller hochwertiger Automobile vom Kleinwagenbereich bis in die Oberklasse hinein. Dass die Marke eine Historie vorzuweisen hat, die bis 1909 zurückreicht, ist ebenso oft ein Quell der Verwunderung, wie die Tatsache, dass Audi nach dem Zweiten Weltkrieg erst 1965 wieder in Erscheinung trat und sich unter Führung des VW-Konzerns langsam und mühsam in die heutige Position kämpfen musste. Den Bereich der automobilen Oberklasse besetzt die Ingolstädter Firma erst seit 30 Jahren wieder. Im Herbst 1988 rollte ein Fahrzeug zu den Händlern, das in seinen Grundzügen auf der dritten Modellgeneration des Audi 100 und 200 (interner Code C3) basierte. Werksintern kursieren die Kürzel ‚4C‘ und ‚D11‘ für jenes Modell, das ursprünglich als ‚Audi 300‘ angeboten werden sollte, letztlich jedoch auf seine Triebwerksform namentlich reduziert wurde: V8.

Erster Audi-Nachkriegs-V8-Motor

Tatsächlich hatte Audi extra für dieses neue Modell auch den ersten Nachkriegs-Achtzylindermotor der hauseigenen Nachkriegsgeschichte entwickelt. Dieser erhielt 32 Ventile und vier obenliegende Nockenwellen. Anfänglich betrug der Hubraum des Aluminiumblocks 3,6 Liter, aus denen die Audi-Ingenieure 184 kW/250 PS und 340 Newtonmeter Drehmoment kitzelten. Vier Jahre später ergänzte man das Modellprogramm um eine Topversion mit 206 kW/280 PS und 400 Newtonmetern Drehmoment aus 4,2 Litern Hubraum. Dazu gab es in jedem Fall den permanenten quattro-Allradantrieb und ein Viergang-Automatikgetriebe von ZF, wobei auf Kundenwunsch ab 1990 auch ein manuelles Fünfgang-Getriebe erhältlich war. Mit Einführung des größeren Motors wechselte man sogar auf sechs manuelle Fahrstufen, dennoch wählten die meisten Kunden die Automatik.

UFO-Bremsscheiben vorne

Dazu gab es ein Fahrwerk mit Querlenkern und MacPherson-Federbeinen vorn sowie doppelten Querlenkern hinten. Wie beim Audi 200 20V erhielt der V8 an der Vorderachse Bremsen, bei denen die Bremsklötze von innen in die Scheiben greifen. Diese sogenannte ‚innenumgriffene Scheibenbremse‘ wurde von ATE Teves entwickelt und erhielt aufgrund ihrer auffälligen Optik im Volksmund schnell den Beinamen UFO. Obwohl sie bei gleicher Baugröße bis zu 30 Prozent bessere Bremsleistungen als normale Scheibenbremsen boten, kamen sie nur noch beim Audi S6 (C4) und ein paar Porsche-Modellen zum Einsatz und sind inzwischen vom Markt verschwunden.

Aufgrund seiner optischen Nähe zum 100/200 (C3) war dem Audi V8 kein großer Verkaufserfolg beschieden. Bereits zwei Jahre nach der Präsentation brachten die Ingolstädter die vierte Modellgeneration des 100 (C4) auf den Markt, wodurch der V8 für viele potenzielle Kunden altbacken wirkte – obwohl mehr als 90 Prozent der vollverzinkten Karosserieteile spezifisch für den V8 entwickelt wurden. Hinzu kam, dass Audi den Wagen anfänglich nur mit sehr hochwertiger Ausstattung inklusive Ledersitzen an, was ihn 30 Prozent teurer als die Oberklasse-Einstiegsmodelle von Mitbewerbern machte. Als man diesen Fehler erkannte, schob man eine Variante mit geringerer Ausstattung und Stoffsitzen nach, benannte die bisherige Version um zum ‚Exclusive‘ und konnte die Absatzzahlen zumindest ein wenig anheben.

Langversion blieb selten

Gemeinsam mit den österreichischen Experten von Steyr-Daimler-Puch entstand auch eine um 30 Zentimeter verlängerte Variante, der V8 L. Des weiteren baute man für Ursula Piëch, die Frau des damaligen Audi-Vorstands Ferdinand Piëch, ein Unikat als Avant, also Kombi. Insgesamt entstanden bis 1994 21.565 Exemplare des Audi V8, davon nur 271 als Langversion. Heute sind noch etwa 2.000 Stück in Deutschland zugelassen. Der geringe Bestand sorgt jedoch auch für relativ hohe Wartungskosten. So kostet allein ein Bremsenwechsel an der Vorderachse durch die Spezialanlage über 600,- €. Für gute Fahrzeuge zahlt man heute rund 8.000,- bis 10.000,- €, wobei die Preise mit Erreichen der H-Kennzeichengrenze ein wenig steigen dürften.

Mit der Cheflimousine auf die Rennpiste

Was kaum jemand für möglich hielt: Audi nutzte die Oberklasse-Limousine, mit der man eigentlich die Chefparkplätze aufmischen wollte, auch im Motorsport. 1990 stieg die Marke mit den vier Ringen in die DTM ein und sorgt für offene Münder. Direkt im Debütjahr gewinnt Hans-Joachim Stuck die Meisterschaft, im Folgejahr macht ihm Frank Biela die Übung nach. Weitere Rennerfolge gehen an Frank Jelinski, Hubert Haupt und Walter Röhrl. Um die hohe Motorleistung der V8-Triebwerke ein wenig einzubremsen und die Konkurrenz von BMW und Mercedes-Benz mithalten zu lassen, wurde reglementsbedingt 1991 und 1992 das Leergewicht der Limousine angehoben. Hierfür entwickelte man in Ingolstadt für 1992 eine neue Kurbelwelle mit 180-Grad-Zapfenversatz statt den 90 Grad beim Serienauto. Da dies eigentlich von den Regeln verboten war, nutzte man Serienbauteile, die im Rohzustand auf das geforderte Maß gebogen wurden. Aufgrund von Protesten aus den Lagern von BMW und Mercedes-Benz beschäftigte sich der Motorsportverband ONS eingehend mit der Materie und entschied nach dem sechsten Rennwochenende der Saison auf eine unzulässige Veränderung, was zum direkten Ausstieg von Audi aus der DTM führte.

Bilder: Audi