125 Jahre Benz Motor-Velociped

Großserienproduktion ist heutzutage bei Automobilen normal, aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welches Auto als erstes in Großserie gebaut wurde? Hierfür muss man weit zurückblättern und landet letztlich bei Carl Benz. Korrekt, jener Mann, der sich 1886 seinen Motorwagen patentieren ließ, schaffte es nur acht Jahr später, sein erstes Serienfahrzeug direkt im großen Stil auf die Straße zu bringen. Während der Patent-Motorwagen und die anschließenden Prototypen eine Hinterachse mit zwei Rädern und ein gelenktes Vorderrad aufwiesen, erhielt das Benz Motor-Velociped die ebenfalls patentierte Achsschenkellenkung mit zwei Vorderrädern, die man zuvor bereits in den großen Modellen Vis-à-Vis und Victoria ausprobiert hatte.

Im April 1894 erschien mit dem Motor-Velociped ein Kleinwagen, dessen Namen sich vom lateinischen Begriff für Fahrräder (Schnell-Läufer, Velociped) ableitet. Für diese hatte Carl Benz eine besondere Begeisterung entwickelt, nachdem er sich bereits 1867 ein erstes Exemplar mit Drahtbereifung und Holzrädern besorgt hatte. Damit unternahm er ähnlich große Überlandtouren wie später mit seinen Automobilen. Das Motor-Velociped erhielt bei Benz direkt die Position auf der Titelseite des jährlichen Katalogs und wird direkt zum Verkaufserfolg. Mit seinem 1,1 kW/1,5 PS starken Triebwerk wirkt der Wagen aus heutiger Sicht eher wie eine bessere Gehhilfe. Für den deutschen und europäischen Markt reichte diese Leistung damals jedoch aus.

Im umgänglichen Sprachgebrauch wurde aus dem Motor-Velociped rasch das Benz Velo, von dem ab 1898 auch eine leistungsstärkere Variante mit 2 kW/2,75 PS für einen Aufpreis von 200 Mark ins Angebot aufgenommen wurde. Weitere 100 Mark kostete der auch für den kleineren Motor erhältliche Stoff-Sonnenschutz names Parasol. Parallel kommt das 2.500 Mark teure Benz Velociped Comfortable hinzu, bei dem der stärkere Antrieb zum Serienumfang zählt. Die ‚hochfeine Ausstattung‘ (Zitat aus dem Benz Katalog von 1898) umfasst zusätzlich eine besser gepolsterte Sitzbank und einen gegen die Fahrtrichtung verbauten Kindersitz. Für 350 Mark zusätzlich gab es erstmals mit Luft befüllte Reifen namens Pneumatiks.

1899 markiert die Einführung eines Dreigang-Getriebes anstelle der bisher zwei Fahrstufen. Zudem vereinfachte man die Namen auf Benz Velociped (2.500 Mark) und Benz Comfortable (2.800 Mark), jeweils mit einem 2,2 kW/3 PS starken Einzylinder-Motor ausgerüstet. Ab 1901 entfiel das normale Velociped und im letzten Produktionsjahr 1902 stieg die Motorleistung im Comfortable noch einmal auf 3,3 kW/4,5 PS an, was laut Katalog eine Höchstgeschwindigkeit von 35 km/h erlaubte. Rund 1.200 Exemplare liefen bei Benz in acht Jahren aus der Manufaktur. Speziell in Deutschland, Großbritannien und Frankreich fanden sich viele interessierte Kunden. Heute ziert ein Benz Velociped den ‚Mythos‘-Raum im Stuttgarter Mercedes-Museum.

Bilder: Mercedes-Benz