Lagonda Rapide
Lagonda ist im heutigen Sprachgebrauch, selbst unter Autofans, ein seltener Begriff. Und doch ist dieser Name seit 1947 fester Bestandteil eines Markennamens, auch wenn dieser selten komplett genannt wird: Aston Martin Lagonda Limited. Zu diesem Zusammenschluss von zwei britischen Autobauern kam es unter David Brown, dessen Initialen bis heute Sportwagenmodelle der Marke zieren, aktuell am DB11 und DBS Superleggera. Bis 1958 rollten weiterhin rund 800 eigenständige Fahrzeuge aus dem alten Lagonda-Werk, dann verschwand dieser Firmenname vorerst aus den Geschichtsbüchern. Allerdings tauchte er bereits drei Jahre später schon wieder auf, um ein Fahrzeug zu zieren, das es eigentlich gar nicht geben sollte und das unser heutiges Thema sein wird: Der Lagonda Rapide.
David Brown hatte 1950 einen wirklich fähigen Mechaniker und Strategiemeister im Motorsport für sich und seine Sportwagenproduktion gewinnen können: John Wyer. Als Generaldirektor hatte er hohen Einfluss auf die Entwicklung der Marke und konnte speziell das Rennteam erfolgreich aufstellen. Auch die Stückzahlen der straßentauglichen Sportwagen stiegen. Auf eine viertürige Luxuslimousine auf Basis des DB4 hatte er hingegen keine Lust. David Brown indes wollte einen Mitbewerber zum Bentley Continental Saloon auf den Markt bringen und seinen Sportwagenkunden ein komfortableres Alltagsauto mit sportlichen Qualitäten anbieten. Der Modellname ‚Rapide‘ entstammte dabei aus der Ahnenreihe von Lagonda. Beim um 16 Zoll (rund 40,6 Zentimeter) verlängerten Chassis des Aston Martin DB4 setzten die Techniker auf eine DeDion-Hinterachse, wie sie 1959 im DBR1 zu finden war, der die 24 Stunden von Le Mans gewann. Für die Kraftübertragung vom 3,7 Liter großen Reihen-Sechszylinder-Motor sorgte serienmäßig ein Automatikgetriebe, wobei sieben Kunden sich für das manuelle Getriebe aus dem DB5 entschieden.




























Um eine möglichst schöne Gestaltung des Fahrzeugs zu erhalten, wurde das Chassis anschließend zu Touring in Italien geschickt und dort eine sportliche, viertürige Limousine in Auftrag gegeben. Dort entstanden verschiedene Entwürfe, die David Brown vorgelegt wurden, der sich schließlich für eine Heckgestaltung im Stil des DB4 und eine Front mit französischen Einflüssen entschied. Das allererste Fahrzeug, der Prototyp mit Chassisnummer LR/101/R, erreichte im Frühjahr 1961 das Werk von Aston Martin in Newport Pagnell, wo er seine terracotta-farbene Leder-Innenausstattung mit einem Armaturenbrett des DB4 erhielt, vom originalen Blau auf Wunsch von David Brown in ‚Roman Purple‘ umlackiert und anschließend der staunenden Presse präsentiert wurde. Diese bewunderte nicht nur die umfangreiche Serienausstattung mit elektrischen Fensterhebern, Picknicktischen im Fond und Zweizonen-Klimaanlage, sondern auch die möglichen Fahrleistungen.
Zur offiziellen Weltpremiere auf dem Pariser Autosalon 1961 zeigte der Wagen schließlich ein komplett neu gestaltetes Armaturenbrett mit großen Holzdekorflächen, um den luxuriösen Ansprüchen von David Brown zu genügen. Anschließend begann die Produktion. Unter den wenigen Kunden, die sich für einen Lagonda Rapide entschieden, war auch die Familie Cartier, deren Fahrzeug innen mit Nerz ausgeschlagen wurde. LR/101/R diente Firmeninhaber David Brown als Dienstwagen und erhielt den vier Liter großen Motor aus dem DB5, der in den Serienfahrzeugen ab Werk verbaut wurde. 1964 wechselte der Rapide in den Besitz eines guten Freundes von David Brown, 1975 schließlich an John Adams, der im Werk ein Upgrade auf ein besseres Automatikgetriebe ausführen ließ. Aktuell steht der Werksprototyp, der sich in diversen kleinen Details – beispielsweise am vorderen Kotflügel oder den hinteren Finnen – von den Serienautos unterscheidet und als einziger Rapide bei Touring seine Karosserie erhielt, beim britischen Klassikerhändler Dylan Miles zum Verkauf. Für 225.000 GBP (rund 252.780,- €) könnte er Ihnen gehören.








































In den letzten Jahren hat sich das Auktionshaus Bonhams zum Hauptumschlagsplatz für den Lagonda Rapide entwickelt. Von den 55 gebauten Fahrzeugen rollten mehr als zehn auf Versteigerungsveranstaltungen unter diesem bekannten Label, teils sogar mehrfach. Selbst den einzigartigen Shooting Brake, den ein Enthusiast 2003 auf Basis einer Limousine und originaler Pläne von Touring aufbauen ließ, konnte das Auktionshaus fast unter den Hammer bringen – er wurde kurz vor der Auktion zurückgezogen. Die Pläne für diesen Shooting Brake hatte David Brown persönlich bei Touring in Auftrag gegeben, letztlich aber noch vor einer Verwirklichung gecancelt, da die Verkaufszahlen der Limousine keinen großen Erfolg eines Kombis vorausahnen ließen.
Auf Basis des DBS folgte 1969 der Aston Martin Lagonda Series 1, der wieder auf Wunsch von David Brown als viertürige Sportlimousine entstand. Mit modifizierter Frontpartie ging dieses Fahrzeug ab 1974 in Kleinserie, wobei das Kundeninteresse noch geringer war als beim Lagonda Rapide: Lediglich sieben Exemplare entstanden bis 1976, ein weiteres Ende des Jahrtausends aus einem eingelagerten Chassis und diversen Originalersatzteilen. Trotzdem beauftragte Aston Martin noch während der Kleinserienfertigung den Designer William Towns und den Techniker Mike Loasby mit einem neuen Lagonda, der schließlich in drei Serien von 1978 bis 1990 gebaut wurde und weltweit 645 Kunden fand. Inzwischen möchte Aston Martin den Markennamen Lagonda wiederbeleben und damit zukünftig luxuriöse Elektrofahrzeuge zieren. Auch den Modellnamen Rapide holte man 2009 wieder ins Modellprogramm zurück und bietet seither eine viertürige Sportlimousine im Grunddesign des DB9 an.
Bilder: Dylan Miles (erste Bildergalerie), Bonhams, Aston Martin