BMW 2002 Turbo
Nicht immer treffen Autos, die heute gesuchte Klassiker sind, bei ihrem Erscheinen den Nerv der Zeit. Ein gutes Beispiel für diese Aussage ist der BMW 2002 Turbo, der 1973 auf der IAA in Frankfurt debütierte. Eigentlich gehörte diese Automesse immer zu den guten Plattformen für Sportwagen, doch genau 1973 hatte die Ölkrise Europa erfasst und in der Medienlandschaft zu einem Umdrehen geführt. In den arabischen Staaten hatte man den Ölhahn zugedreht, was zu einem unglaublichen Anstieg der Benzinpreise, rationierten Kraftstoffmengen pro Person, eilig eingerichteten Tempolimits und autofreien Sonntagen geführt hatte. Entsprechend provokativ nahm die Öffentlichkeit den BMW 2002 Turbo wahr, der nicht nur auffällige Spoiler an Front und Heck trug, sondern zusätzlich die M-Farben (dunkelblau, hellblau und rot) als Streifendesign an der Seite und am Frontspoiler sowie deutlich verbreiterte Kotflügel, die an die Karosserie angenietet wurden. Der Spoiler erhielt zudem beim Präsentationsauto auf der Messe und in den Broschüren einen ‚Turbo 2002‘-Schriftzug in Spiegelschrift, um dem Vordermann im Rückspiegel direkt zu verdeutlichen was da anrollt, ohne die Lichthupe betätigen zu müssen. Diese Kriegsbemalung war des guten entschieden zuviel und führte sogar zu einer offiziellen Anfrage im Deutschen Bundestag. In einer kurzen Debatte wurde erörtert, ob ein solches Fahrzeug zum Rasen animiert, die Sicherheit auf den Straßen somit gefährdet wäre und der BMW entsprechend von höchster Stelle verboten gehört.
Anhand der Tatsache, dass der 2002 Turbo von September 1973 bis November 1974 1.672-mal vom Band lief, kann man ablesen, dass die Politiker von einem Verbot absahen. Gleichzeitig verdeutlicht die geringe Produktionszahl jedoch auch, dass potenzielle Käufer in diesem Zeitraum wohl andere Sorgen hatten, als einen potenten BMW zu kaufen. Zudem waren Triebwerke mit Abgasturboladern damals im Automobilbau noch gänzlich unbekannt und diese Technologie eher von Lastkraftwagen und Agrarnutzfahrzeugen bekannt, um deren Dieselmotoren mit mehr Leistung zu versehen. BMW kam mit dem 2002 Turbo Porsche zuvor und stellte somit das erste Turbostraßenfahrzeug aus deutscher Produktion auf die Räder. Für die weltweite Nummer 1 reichte es nicht mehr, da Chevrolet bereits 1962 den Corvair Monza Spyder und Oldsmobile mehr oder weniger zeitgleich den Jetfire präsentiert hatten. Eigentlich stellte der Wagen für den Münchener Hersteller lediglich eine günstige, ausgereifte Basis für die neue Technologie dar, immerhin gab es die 02er Baureihe bereits seit 1966. Da es zwischenzeitlich manch potente Konkurrenz von Mitbewerbern wie Ford (Capri RS), Audi (80 GT) oder Opel (Manta GT/E) gab, die mehr oder weniger problemlos in den ‚Club 200‘ (Autos mit mehr als 200 km/h Höchstgeschwindigkeit) aufgenommen wurden, versuchte man dem 2002 über die Turbotechnik nochmals mehr Leben einzupusten – unter Hochdruck.
Unter der nach vorn öffnenden Haube des BMW 2002 Turbo findet sich ein zwei Liter großes Reihenvierzylinder-Triebwerk mit Kugelfischer-Benzineinspritzung, das von einem KKK-Turbolader unter Druck gesetzt wird und dadurch 125 kW/170 PS sowie ein maximales Drehmoment in Höhe von 240 Newtonmeter entwickelt. In nur 6,9 Sekunden standen 100 km/h unter dem Tachozeiger. Maximal waren laut BMW 212 km/h möglich. Möglich machte dies unter anderem ein manuelles Viergang-Getriebe sowie das Leergewicht von lediglich 1.080 Kilogramm. Entsprechend warb man für den Wagen mit dem Slogan: „Das Beste, was man aus Abgas machen kann, ist Leistung.“ Allerdings kam der 2002 Turbo beiweitem nicht an die geringen Verbrauchswerte heutiger Downsizing-Turbo-Fahrzeuge heran. Mit rund 16 Litern Benzin auf 100 Kilometern im Durchschnitt lag man ebenso auf recht hohem Niveau wie mit dem damaligen Kaufpreis in Höhe von 20.780,- DM (Ende 1974). Trotzdem fanden sich unter den Bestellern auch Kunden aus Japan, Panama, Guatemala oder Angola, die den 2002 Turbo blind nach der Weltpremiere bestellten (Live-Stream-Übertragungen im Internet gab es damals noch nicht einmal im Science-Fiction-Film). Im Gegensatz zum Prototypen, der auf der IAA stand und für die Verkaufsprospekte abgelichtet wurde, erhielten die Serienautos ab Werk nie den spiegelverkehrten Schriftzug vorn und zudem einen Heckspoiler in schwarzem Kunststoff anstelle von Wagenfarbe. Letztere war entweder ‚Chamonix‘ (weiß) oder ‚Polaris‘ (silber metallic), wobei im zweiten Produktionsjahr als Sonderfarben gegen Aufpreis noch ‚Inka‘ (orange), ‚Verona‘ (rot), ‚Taiga‘ (grün metallic) und ’schwarz‘ hinzukamen. Von den 1.672 gebauten Fahrzeugen gingen 624 nach Deutschland, 356 nach Italien, 180 nach Frankreich, 117 nach Japan, 110 in die Schweiz, 68 nach Großbritannien und 63 nach Schweden.
Am 24. Oktober bietet RM Sotheby’s in London einen wunderschönen BMW 2002 Turbo aus der Youngtimer Collection an. Diese Autosammlung ist seit Anfang des Jahres immer wieder Teil der großen Auktionen des amerikanisch-kanadischen Auktionshauses. Dieser 2002 erhielt vor einigen Jahren eine umfangreiche Restaurierung durch den Spezialistenbetrieb Oldenzaal Classics. Hierfür zerlegte man den Wagen komplett in alle Einzelteile, tauschte alle defekten Komponenten, lackierte die Karosserie neu im originalen ‚Chamonix‘ inklusive M-Streifen und setzte ihn anschließend in bestmöglicher Qualität wieder zusammen. Auf dem Frontspoiler reproduzierte man den provokativen Schriftzug in Spiegelschrift, den es ab Werk nie gab. Seither legte der aktuelle Besitzer lediglich 132 Kilometer mit dem BMW zurück. RM Sotheby’s erwartet einen Zuschlagspreis zwischen £ 110.000 und £ 120.000 (rund 123.350 € bis 134.565 €).
Bilder: RM Sotheby’s, Tom Wood